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Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Reh
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Roadshow.
    Er saß im Sand, blickte auf das fast bewegungslose Wasser, rauchte eine Zigarette. Die erste seit Jahren tagsüber. Nördlich von ihm gab es ein hohläugiges Hotel, 13 oder 14 Etagen, steil in den Hang gebaut. Ein Baukran stand daneben, wie um zu versichern, dass man eines Tages noch weiterbauen werde. All dies wegen ein paar Zahlenkolonnen auf einem Monitor.
    Der Rauch füllte seinen Kopf mit Schwindel. Niemand wusste, wo er war. Er hatte eine riesige Summe Geld an sich gebracht und so hoch in den Baum gehängt, dass niemand herankommen würde. Er konnte fast sehen, wie sie sich danach streckten.
    Als er zur Siedlung zurückkehrte, sah er, dass in dem Durchgang zum Patio die Verpackung eines Schokoriegels lag. Orange mit gelber Schrift, Reese’s Cups. Er hatte ihn heute Morgen im Supermarkt gekauft. Er hatte noch keinen davon gegessen.

6
    Als er in den Händlersaal gekommen war, hatte Holt ihn abgefangen. Max Holt, der Mann hinter Johann hier in Frankfurt. Alle nannten ihn Maximus. Er hatte diese spezielle Art, einen heranzuwinken: mit einem Finger. Bei Bernhard hatte er das lange nicht mehr gemacht. Sein Rücken versteifte sich, er spürte einen Druck im Magen, wie eine Faust. Nichts, sagte er sich. Er konnte noch nichts von den Deals mitbekommen haben. Er hatte noch nicht mal richtig angefangen.
    »Bernhard! Held der Arbeit!«
    »Was willst du?«
    Holt deutete hinter sich in sein Büro. »Der Junge da heißt Marek Jensen. Der Sohn von jemandem, mit dem wir uns gut verstehen. Der will heute mal ein bisschen in unsere Abteilung reinschnuppern.«
    Bernhard reagierte nicht.
    »Wann waren wir beide eigentlich zuletzt was trinken? Wir müssen unbedingt mal wieder was trinken gehen. Ich glaube, ich bin sogar mit Bezahlen dran.«
    Bernhard verstand und verdrehte die Augen.
    »Ich weiß, ich weiß«, beschwichtigte Holt. »Hör zu, beachte ihn gar nicht. Er wird dich nicht groß stören.«
    »Wenn der mich vollquatscht –«
    »Er wird so still sein wie eine Mumie.«
    »Die quatschen einen immer voll. Was bedeutet die Zahl da, mit wem haben Sie jetzt telefoniert.«
    »Ich weiß.«
    »Ich muss mich konzentrieren. Die sind diese Woche extrem nervös alle.«
    »Komm, Bernhard. Ich werd sonst entlassen. Ich hab Frau und Kinder.«
    »Ich meine, alle sind nervös.«
    »Bernhard, du bist der Boss. Wenn er anfängt, dich zu nerven, schick ihn Kaffee holen.«
    »Wie lange?«
    »Was weiß ich. Eine Viertelstunde.«
    Bernhard schüttelte ungeduldig den Kopf. »Wie lange hab ich ihn am Hals?«
    »Ach so. Heute Vormittag. Maximal.«
    Bernhard nickte knapp und ging zu seinem Platz. Er hatte kaum sein Jackett über die Lehne gehängt und sein System hochgefahren, da stand Jensen hinter ihm. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Bernhard beachtete ihn nicht. Nach einer Weile sagte Jensen: »Danke, dass ich …«
    »Schon okay.«
    Der Junge ließ sich davon ein bisschen einschüchtern, aber nicht lange. Dann fragte er: »Was machen Sie da?«
    »Ich shorte.«
    »Und was shorten Sie so?«
    »Staatsanleihen.«
    »Und was für welche?«
    Bernhard fixierte ihn. Zumindest sah er nicht schon aus wie ein Idiot. Trug einen passablen Anzug, nicht maßgefertigt, aber okay. Ein Pflaster über der linken Augenbraue. »Griechische.«
    »Aha? Wie –«
    »Pass auf, damit du Ruhe gibst. Ein einziges Mal. Wenn du mich dann weiter nervst, fliegst du raus, okay? Ist mir scheißegal, was Holt sagt. Ich verdiene hier Geld für die Bank. Ich muss mich konzentrieren. Gecheckt?«
    Der Junge nickte. »Gecheckt.«
    »Das hier« – er zeigte auf eine Anzeige auf einem der beiden mittleren Monitore – »sind meine Prime Broker. Du weißt, was Prime Broker sind.« Es war eine Feststellung, er achtete nicht auf das Nicken neben sich. »Bei denen leihe ich mir die Papiere. So. Das hier sind meine Abnehmer. Broker, andere Banken. Die kaufen die Bonds bei mir.«
    »Ganz schön viele.«
    »Wir machen einen Preis aus und das Volumen – ich settle über fünf bis sieben Tage –, dann gehen die Daten ins Back-office zur Abwicklung. Fertig. Noch Fragen?«
    »Warum griechische Anleihen? Ich hab gehört, die Griechen haben Probleme.«
    »Hast du gehört, ja? Die Griechen haben keine Probleme. Die Griechen sind einfach pleite. Vollkommen im Arsch. Und das schon seit Jahren.«
    »Okay.«
    Der Junge mochte Anfang zwanzig sein. Immerhin war er informiert. Der Sohn von irgendjemandem aus dem Aufsichtsrat, mitten im Studium. Wusste noch nicht, wohin

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