Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)
Schwiegereltern? Nee. Sie zog einen Flunsch.
»Kind, hilfst du mir in der Küche?«, fragte Joachims Mutter. Sie hatte Annes Mienenspiel mit der Aufmerksamkeit eines Kriminalkommissars beobachtet.
Oha. Es gab nichts zu helfen in der Küche. Die war immer blitzblank gewienert. Das roch gefährlich nach einem Gespräch von Frau zu Frau.
»Natürlich hilft Anne dir«, sagte Joachim.
Er stieß Anne unter dem Tisch mit dem Fuß an. Brav standsie auf und folgte ihrer Schwiegermutter in die Küche. Sobald sie allein waren, zog Joachims Mutter die Tür hinter sich zu, stellte sich vor Anne hin und verschränkte angriffslustig die Arme.
»Jetzt pass mal auf, jede Ehe hat ihre Hochs und Tiefs.« Sie rollte mit den Augen. »Auch im Bett!«
Sprachlos stand Anne da. Wie bitte? Ein fieser Verdacht keimte in ihr auf. Hatte Joachim etwa seiner Mutter erzählt, dass es in der Horizontalen klemmte? Die beiden telefonierten sowieso verdächtig häufig miteinander. Wenn das stimmte, war es ein kapitaler Vertrauensbruch.
»Man muss die ehelichen Pflichten erdulden«, verkündete ihre Schwiegermutter mit leidender Stimme. »Auch du, meine Liebe. Männer sind manchmal wie – wie Tiere. Aber sie brauchen das. Einfach die Augen zumachen und an was Schönes denken. Männer muss man bei ihren Trieben gewähren lassen. Sonst kommen sie auf dumme Gedanken. Aber ich sag immer: Es ist egal, wo sie den Motor starten, Hauptsache, sie parken in der richtigen Garage. Wenn du verstehst, was ich meine.«
Das wurde ja immer gruseliger. Anne wollte sich nicht vorstellen, wie ihr Schwiegervater, dieser ergraute, etwas feiste Herr, in der heimischen Garage parkte. Sie räusperte sich. »Das ist nicht das Problem.«
»Ach, und was ist es dann?«
Sollte sie ehrlich antworten? Anne betrachtete das Grauen in Menschengestalt, das sie Mutti nennen musste. Joachims Mutter hatte die Sechzig längst überschritten, die Hundertzwanzig-Kilo-Grenze ebenfalls, und sie kleidete sich bevorzugt in pastellfarbene Jerseykleider. Heute war es ein babyrosaKleid, das fast aus den Nähten platzte. Das Ganze wurde gekrönt von einer pudelartigen Dauerwelle, die einen Stich ins Lila hatte. Kaum zu glauben, dass diese Frau ernsthaft über so etwas wie Sex nachdachte.
»Also?« Die Stimme von Joachims Mutter klang ungeduldig. Er war ihr einziger Sohn, ihr Kronprinz, ihr ein und alles. Wie eine Glucke wachte sie über ihr Wunderkind. Durfte Anne dieses strahlende Bild ankratzen? Gestehen, dass Joachim nicht der temperamentvolle, allzeit bereite Liebhaber war, den seine Mutter in ihm sah?
Die Entscheidung wurde ihr abgenommen. Ihr Handy dudelte, es war bis in die Küche zu hören.
»Ich erwarte einen wichtigen Anruf«, entschuldigte sich Anne und sauste erleichtert ins Wohnzimmer, wo ihre Handtasche lag. Sofort erkannte sie die Nummer auf dem Display: »Tess?«
»Hallo, Schnecke, wo steckst du denn? Ich muss mit dir reden. Unbedingt. Passt es gerade?«
Anne lächelte schief, während ihr Blick über die Kaffeetafel wanderte. Über die versteinerte Miene ihres Schwiegervaters, über den versunken spielenden Lars, über Joachims angesäuertes Lächeln, über das vorwurfsvolle Gesicht ihrer Schwiegermutter, die sich wie ein Gefängniswärter an ihre Fersen geheftet hatte. Man telefonierte nicht bei Mutti.
»Passt wunderbar. Moment, ich gehe mal eben vor die Tür.«
Das war ein weiteres Sakrileg. Man hatte gefälligst wie festgetackert am Tisch zu sitzen, wenn Mutti Hof hielt.
Aber Anne war es plötzlich egal. Zwei Sekunden später stand sie im Vorgarten des Eigenheims. Wenn man überhaupt von einem Garten sprechen konnte. Joachims Vater hatte fastdie gesamte Fläche vor dem Haus zubetoniert, eine Radikalkur, die nur zwei mickrige Rosenbüsche überlebt hatten.
Sie presste das Handy ans Ohr. »Die Luft ist rein.«
»Ich habe nachgedacht«, sagte Tess hechelnd. »Über Sex und so. Bin übrigens im Fitnessstudio, auf dem Laufband. Kannst du vorbeikommen?«
Noch nie hatte Anne das Sonntagnachmittagsritual durchbrochen. Aber heute war das etwas anderes. Es musste sich was ändern. Dringend. Sonst legte sie sich noch demnächst mit dem laufenden Fön in die Badewanne vor lauter Depri.
»Ich nehme ein Taxi! Bis gleich, Tess!«
Zurück im Wohnzimmer, hielt sie sich nicht mit langen Erklärungen auf. Während sie sich ihre Handtasche schnappte, sagte sie: »Ich muss zu meiner Freundin. Sie – ist krank.«
»Aber Kind!« »Aber Anne!« »Aber Mami«, schallte es ihr im
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