Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)
Chor entgegen.
»Ist eine Notsituation. Vereiterte Mandeln, Bronchitis und Brechdurchfall. Einen schönen Nachmittag noch!«
Unter dem Protest sämtlicher Anwesenden floh sie aus dem Operationssaal. Als sie draußen auf der Straße stand, atmete sie tief durch. Was würde sie bloß ohne ihre Freundin machen? Tess war ihr Fallschirm und ihr Rettungsboot. Und vielleicht hatte sie ja wirklich eine Idee, wie sie aus der erotischen Sackgasse wieder rauskamen.
***
Das Fitnessstudio »Fit for you« war riesig. Es erstreckte sich über zwei Etagen und wirkte sehr edel mit den polierten dunklen Parkettböden, den grau gewischten Wänden und denBonsaibäumchen, die auf niedrigen Tischen verteilt waren. Sanfte Entspannungsmusik rieselte aus den Lautsprechern. Man hatte alles getan, um mit der Wellness-Atmosphäre darüber hinwegzutäuschen, dass Sinn und Zweck des Besuchs war, sich bis zur totalen Erschöpfung abzuschinden.
Die Räume waren angefüllt mit schwitzenden, aber bemerkenswert attraktiven Menschen. Während Anne sich auf die Suche nach Tess machte, begutachtete sie unauffällig einige durchtrainierte, muskulöse Männer, die sich an den Maschinen abquälten. Die köperbetonte Atmosphäre verwirrte sie. Überall pralles Fleisch, sehnige Gliedmaßen, nackte Haut. Es roch nach Testosteron.
Eigentlich stand sie nicht auf Typen aus der Muckibude, aber in ihrem trostlosen Zustand war sie offenbar empfänglich dafür. Warum sollte sie sich nicht ein bisschen anregen lassen? Hatte nicht sogar ihre Schwiegermutter gesagt, es sei egal, wo man den Motor startete?
Ein dunkelhaariger Muskelberg in einer knappen pinkfarbenen Sporthose und einem Nichts von einem Muscle-Shirt lächelte ihr zu. Es war kein höfliches Lächeln. Eher herausfordernd. Frech. Und sehr sexy. Anne bekam eine Gänsehaut. Ohne es zu wollen, starrte sie auf die Schweißbäche, die dem Mann über die tätowierte Brust liefen. Sie hatte noch nie über eine Affäre nachgedacht, war auch nie in Versuchung gewesen. Aber jetzt spürte sie, wie ein Schauer sie überlief. Unwillkürlich blieb sie stehen.
Der Muskelberg konnte sprechen. »Neu hier?« Er grinste siegesgewiss. Seine kräftigen Arme und Schenkel bewegten unablässig die Gewichte einer furchterregenden stählernen Maschine.
»Ja, ich meine, nein, ich suche …«, stammelte Anne. Herrje, was war nur mit ihr los?
»Wir könnten ja mal zusammen trainieren«, schlug Mr. Universum vor. »Man sagt, ich sei ein guter Personal-Trainer. Hat sich jedenfalls noch keine beschwert.«
Er sagte es mit einem lasziven Timbre in der Stimme, als ob er noch ein paar ganz andere Dinge bestens beherrsche. Anne atmete schwer. War es wirklich so heiß hier, oder lag das an diesem Typen?
»Schnecke! Hier bin ich!«
Sie drehte sich um. Ganz hinten am Fenster trabte Tess auf einem Laufband und winkte ihr mit einem weißen Frotteehandtuch zu.
»Man sieht sich!«, rief der Muskelberg hinter Anne her, während sie auf Tess zumarschierte und dabei fest ihre Handtasche umklammerte.
He, he, he, hatte da etwa gerade jemand mit ihr geflirtet?
Tess trug einen giftgrünen Gymnastikanzug, der, nun ja, nicht sonderlich vorteilhaft war. Sonst verstand sie es immer, ihre Rundungen perfekt zu verpacken. Jetzt sah man, dass sie doch ein wenig auseinandergegangen war. Jedes Gramm an ihr zitterte und bebte, während sie schwerfällig Fuß vor Fuß setzte. Es wirkte eher wie eine Flucht, weniger wie eine sportliche Betätigung. Wovor rannte Tess weg?
»Danke, dass du mich aus der Schwiegereltern-Hölle erlöst hast«, sagte Anne. »Ich war kurz davor, gegrillt zu werden.«
»Du verlierst echt keine Zeit«, erwiderte Tess atemlos, den Blick abwechselnd auf die Kilometeranzeige des Laufbands und auf Anne gerichtet. »Baggerst sofort den heißesten Typen im Studio an. Alle Frauen hier sind hinter Marc her.«
Marc. So hieß Mr. Universum also. Wieder spürte Anne eine Gänsehaut.
»Nix anbaggern. Ich habe ihn nur gefragt, wo ich dich finden kann«, behauptete sie.
»Soso.« Verdrießlich deutete Tess auf ihre üppigen Hüften. »Sieh dir das an. Mit dreißig kamen die ersten Fettpölsterchen. Und jetzt? Stauungen im mittleren Ring, würde ich sagen. Und damit meine ich kein verkehrstechnisches Problem. Naja, irgendwie doch.«
Sie stellte das Laufband aus und stieg schwer atmend herunter. »Komm, wir trinken was.«
Auf dem Weg zur Cafeteria kamen sie an Marc vorbei. Mittlerweile saß er auf einer Rudermaschine und grinste Anne
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