Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)
war kein Moralapostel. Was sie störte, war, dass Joachim klammheimlich den Motor anwarf und dann nicht mehr den Weg in die heimische Garage fand. Hätte er sich doch wenigstensAppetit geholt und ihn dann im Ehebett gestillt. Aber so, wie er sich verhielt, ging Anne leer aus.
»Mama«, kam es vom Kindersitz. »Was ist elotisch?«
Anne stieg unwillkürlich auf die Bremse. »Wie bitte?«
»Elotisch, elotisch, elotisch«, trällerte Lars.
»Wo hast du das denn her?«
»Hast du doch selber gesagt. Als du mit Papa geschimpft hast.«
Anne scannte ihr Gedächtnis. So ein Mist aber auch. Gestern Abend hatte sie tatsächlich von »erotischen Problemen« gesprochen. Und Lars hatte mal wieder etwas aufgeschnappt, was nicht für seine Ohren bestimmt war.
Unbehaglich rutschte Anne auf ihrem Sitz hin und her. Sie konnte sich kaum auf den Verkehr konzentrieren. »Erstens: Ich habe nicht mit Papa geschimpft. Wir hatten eine Auseinandersetzung.«
Jetzt kam zweitens. Bämm! Erklär mal deinem fünfjährigen Sohn, was erotisch bedeutet. Anne holte tief Luft.
»Elotisch« – sie vermied es, das Wort richtig auszusprechen – »heißt so viel wie: ganz, ganz klein. Ich habe Papa gesagt, dass wir elotische Probleme haben. Mit anderen Worten: winzig! Nicht der Rede wert!«
Im Rückspiegel sah sie, wie Lars angestrengt über diese Erklärung nachdachte.
»Elotisch, elotisch«, murmelte er vor sich hin.
»Du, Lars«, Anne sprach so sanft wie eine Krankenschwester auf der Intensivstation, »das Wort kennt nicht jeder. Ich würde es nicht benutzen.«
»Ist es ein böses Wort?«, fragte Lars interessiert.
»Ja, nein, irgendwie …« Anne kam ins Stottern. Im selbenMoment wusste sie, dass sie gegen die einfachsten pädagogischen Regeln verstoßen hatte. Es war nur eine Frage der Zeit, wann Lars dieses hochinteressante Wort einem Spielkameraden an den Kopf werfen würde.
Sie schaute wieder in den Rückspiegel. »Lass es einfach weg, ja?«
»Hm.«
Punkt halb neun Uhr hielt Anne vor der »Villa Sonnenschein«. Davor wartete schon ein bunter, kleiner Trupp Kindergartenkinder, abmarschbereit für den Ausflug zum Zoo.
»Ihr Sohn macht uns viel Freude«, sagte die Erzieherin Frau Landmann, als sie Lars in Empfang nahm. »Sein Sozialverhalten ist vorbildlich, seine Feinmotorik ist altersgerecht. Übrigens: In letzter Zeit spricht er oft über einen Bruder.«
Frau Landmann leitete die »Villa Sonnenschein« und war eine von der alternativen Sorte: hennaroter Kurzhaarschnitt, Klamotten aus dem Dritte-Welt-Laden, klobige Gesundheitsschuhe. Heute trug sie ein bodenlanges Kleid aus ungebleichter Baumwolle und darüber eine grob gemusterte Jacke, die vermutlich peruanische Indios gewebt hatten.
Neugierig betrachtete sie Annes nicht gerade flunderflachen Bauch. »Ist schon was unterwegs?«
Wie denn? Mein Mann zieht sich lieber Pornos rein, dachte Anne. Der geht mit anderen Frauen ins Bett, virtuell jedenfalls.
»Nicht, dass ich wüsste«, sagte sie gespielt fröhlich. »Aber wir arbeiten dran!«
»Na, dann viel Erfolg«, lächelte die Erzieherin.
Anne grinste schief. Schnell stieg sie in ihren Wagen und fuhr davon. Sie fühlte sich betrogen. Ausgebootet. Reichte sieJoachim denn nicht mehr? War sie eine Niete im Bett? Aber war roher, anonymer Sex denn wirklich alles, was zählte? Was war mit Liebe? Mit Vertrauen?
Das Gespräch beim Abendessen der Hubers fiel ihr wieder ein. Sie musste sich eingestehen, dass Joachim nicht zufällig seinen sexuellen Appetit im Netz stillte. Sie hatte ihn oft genug abgewiesen, so viel stand mal fest. Andere Männer hätten vielleicht schon eine Geliebte. Im Grunde konnte sie froh sein, dass Joachim seine Bedürfnisse mit bloßen Abziehbildern befriedigte. Aber damit war es vorbei. Jetzt würde sie durchstarten.
Sie gab Gas und überfuhr eine rote Ampel. Das wilde Gehupe der anderen Autos tat ihr richtig gut. Jawoll, dachte sie, ich gebe jetzt Gas! In jeder Beziehung!
***
Etwas müde, aber voll neuer Energie stieg Anne die Treppe zur urologischen Praxis von Doktor Arenson hoch. Kurz vor neun, sie hatte es pünktlich geschafft.
Der Arzt wartete schon im Empfangsbereich auf sie. Er war ein auffallend gepflegter Endvierziger, sehr smart, sehr attraktiv, immer gebräunt. Irgendwelche Avancen waren allerdings nicht von ihm zu erwarten. In Liebesdingen bevorzugte Doktor Arenson das eigene Geschlecht. Nicht zuletzt deshalb hatte sich Anne für den Job bei ihm entschieden.
Die beiden Arzthelferinnen hatten
Weitere Kostenlose Bücher