Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)
SMS und die Anrufbeantworter-Nachricht, seit er aus der Wohnung gerauscht war. Sie ging ins Schlafzimmer und aktivierte das Display.
Süße! Es ist der Wahnsinn! , las Anne. Melde mich später, schwebe noch durchs Universum.
Tess und ihr Fürst der Finsternis. Mit einem unguten Gefühl dachte Anne daran, wie der Typ sich schon im Umkleideraum des »Playland Club« an Tess festgesaugt hatte. Und sie? War ja wie hypnotisiert gewesen! Wie das Kaninchen vor der Schlange! Obwohl das Bild nicht ganz stimmte: Im Grunde hatte es ausgesehen, als ob eine Maus von einem Drachen verschluckt wurde.
Houston an Raumschiff: Bitte sicheren Kurs halten , smste sie. Tu nichts, was ich nicht auch tun würde.
Sie wartete eine bange Minute. Die Fanfare erklang. Und die Antwort lautete: Zu spät.
Ich hätte besser auf sie aufpassen müssen, warf Anne sich vor. Ich hätte sie irgendwie in den Schwitzkasten nehmen und nach Hause schleifen müssen. Aber wie denn? Tess war nicht zu bändigen gewesen. Erst hatte sie so aufreizend mit Ramon getanzt, dass Anne schon vom Zusehen schwindelig geworden war. Dann hatte sie sich mit ihrem Galan in eine dunkle Nische verdrückt.
Was da geschehen war, musste ziemlich aufwühlend gewesen sein. Nach einer Stunde war Tess mit wirrem Haar an dieBar gekommen, hatte einen Espresso geordert und war gleich wieder weggetaucht.
Was für eine Nacht! Am Ende hatte Anne sich auf die Suche nach Tess gemacht, war durch diese Geisterbahn der entfesselten Erotik geschlingert, hatte Leute nach ihr gefragt, ihr SMS-Messages geschickt. Ohne Reaktion. Tess blieb wie vom Erdboden verschluckt. Und war garantiert nicht im eigenen Bett aufgewacht.
Sie ist eine erwachsene Frau, redete Anne sich gut zu, während sie in die Küche ging und die Kaffeemaschine anstellte. Sie muss wissen, was gut für sie ist. Wusste sie selbst es?
Doch, ein gewisser Funke war übergesprungen. Nach ihrer anfänglichen Abwehr hatte sie sich auf die Stimmung im »Playland Club« einlassen können. Sie hatte getanzt, sich treiben lassen, hatte wildfremden Menschen zugesehen, wie sie die Grenzen des Normalen überschritten. Aber erst jetzt verstand Anne, was sie so fasziniert hatte: Diese Leute lebten aus, was sie fühlten. Auch wenn es schräg war. Sie scherten sich nicht um Konventionen. Auch nicht um Schönheitsideale. Anne hatte junge, straffe Körper gesehen und ältere, die alles andere als knackig gewesen waren. Es kam nicht darauf an. Nur darauf, etwas auszuleben, was in einem schlummerte: geheime Wünsche, verrückte Sehnsüchte.
Es war erregend gewesen. Anne hatte eine unbekannte Seite der Lust in sich entdeckt, obwohl sie nur Zuschauerin geblieben war. Dabei hatte es an Angeboten wahrlich nicht gemangelt. Viele Gäste hatten sie angesprochen, aber sie hatte sich zurückgehalten und einfach nur genossen, sich lebendig zu fühlen in dieser entfesselten Szenerie.
In den Bildern der vergangenen Nacht versunken, holteAnne eine Tasse aus dem Küchenschrank. Langsam kehrte sie in die Gegenwart zurück. Die Küche war nicht gerade im Bestzustand. In der Spüle stand noch Joachims mittlerweile verwelkter Rosenstrauß, der Mülleimer quoll über, auf dem Boden lagen Brötchenkrümel.
Prompt musste Anne an die unsägliche Schnüffelaktion ihrer Schwiegermutter denken. Joachim konnte sich schon mal auf eine nervenzerfetzende Szene gefasst machen. Ob sie ihn vorwarnen sollte? Besser nicht. Anne hatte ohnehin noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen. Da konnte Tess ihn verteidigen, wie sie wollte – erst die Sache mit den Internetpornos, dann dieses angebliche Seminar, von dem er nicht mal wusste, wo es stattfand, das war schon mehr als verdächtig.
Die Uhr zeigte mittlerweile kurz nach eins. Um sechs wollte Anne Lars bei Oma Brownie abholen. Blieben also noch mehr als vier Stunden, die sie mit sich selbst verbringen durfte. Sie kochte sich einen Espresso und nahm ihn mit auf die Dachterrasse. Das schöne Frühlingswetter hielt an. Nur ein paar Schäfchenwolken zogen über den unwirklich blauen Himmel. Die ersten Blüten des Oleanders öffneten sich.
Anne setzte sich in den Liegestuhl. Blätterte in einer Zeitschrift. Ging wieder rein und legte eine CD auf. Dann wusste sie, was zu tun war.
Es dauerte eine Weile, bis sie die Abstellkammer ausgeräumt hatte. Woher kam nur dieser ganze Krempel? Vermehrte der sich von selber? Mit verbissenem Eifer kämpfte sie sich vorwärts, bis sie schließlich die Staffelei zu fassen bekam. Vorsichtig zog Anne sie
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