Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)
bizarre Blitze auf die Szenerie, eine unübersichtliche, halbdunkle Halle mit allen möglichen Winkeln und Nischen. Es roch, als wäre eine Flasche Parfum in einen Raubtierkäfig gefallen. Überall sah man Körper, die sich halbnackt auf der Tanzfläche bewegten oder auf Bänken und Pritschen lagen. Anne und Tess hatten Mühe, sich zu orientieren. Etwas verlegen standen sie am Rand der Tanzfläche herum und staunten erst mal.
Was für ein schräger Karneval. Im Sexshop hatte alles ordentlich gestapelt in den Regalen gelegen. Es war ein dramatischer Unterschied, all das jetzt in Aktion zu sehen: die scharfen Bodys und Tangas, die Nieten-BHs, die Handschellen und Peitschen.
Tess stupste Anne an. »Guck mal.«
Sie zeigte auf die gegenüberliegende Wand. Dort hing ein Andreaskreuz, an dem wiederum eine junge Frau hing, mit Ledermanschetten an die Holzstreben gefesselt. Zwei Männer strichen ihr mit etwas über die nackte Haut, was an Staubwedel erinnerte. Eine Frau in einem furchterregenden, nietenbesetzten Lederanzug stolzierte vorbei. An einer Hundeleine führte sie ein voll vermummtes Wesen in Gummi mit sich, das auf allen Vieren kroch. Etwas weiter entfernt, auf einem Podest, kniete ein Mann, die Hände auf dem Rücken verklebt. Hinter ihm stand ein weiterer Mann, der ihn mit einer Reitgertebearbeitete. In die Musik mischten sich Stöhnen und leise Schreie.
»Verbindlichsten Dank, interessante Erfahrung, mir reicht’s«, stieß Anne hervor. »Schade ums Geld, aber ich muss hier raus.« Sie war total bedient.
»Nun mal langsam«, widersprach Tess. »Lass uns wenigstens einen Schluck trinken. Wir haben ja noch nicht einmal einen Bruchteil gesehen.«
»Genug, um wochenlang schlecht zu träumen«, rief Anne.
»Nein, zu wenig, um unser Sexleben auf Vordermann zu bringen!«
Tess wippte aufgekratzt mit den Hüften. Im Unterschied zu Anne schien sie überhaupt nicht schockiert zu sein. Sehr aufrecht bahnte sie sich einen Weg durch die Tanzenden und steuerte einen Tresen an. Sie wollte doch wohl nicht einen Schnaps trinken!
Anne heftete sich widerwillig an ihre Fersen. Gar nicht so leicht bei dem Gedränge. Ketten und Fußfesseln streiften sie. Männer in Lederkluft starrten sie an. Endlich erreichte sie den Tresen.
»Einen Gin Tonic«, bestellte Tess.
Das Barmädchen hob bedauernd die Hände. »Kein Alkohol vor dreiundzwanzig Uhr.«
Sie sah umwerfend aus, das musste man ihr lassen. Lange schwarze Haare mit einem extrem kurzen, sehr akkurat geschnittenen Pony. Weiß gepuderte Haut, kirschroter Mund. Ihr strassbesetzter Body schmiegte sich eng an den makellosen Körper.
»Kein Alkohol? Wieso das denn?«, fragte Tess unwirsch.
Das Mädchen holte sie mit einer Geste näher heran. Geheimnisvollsenkte sie die Stimme, sodass sie in dem Lärm kaum zu verstehen war. »Ihr seid Anfängerinnen, das sieht man aus zehn Kilometer Entfernung. Also, bis elf nur Softdrinks, und auch danach nur Bier und Wein. Wir können keine Besoffenen gebrauchen. Bei solchen Sexspielen darf man nicht die Kontrolle verlieren, versteht ihr?«
Tess zog einen Schmollmund. »Verstehe. Dann eine Cola Light.«
»Und deine Freundin?«
Anne schob sich neben Tess. »Ein stilles Wasser. Gibt es noch etwas, was wir wissen sollten?«
Ein feines Lächeln glitt über das Gesicht des Mädchens. »Ihr seht aus, als ob ihr euch gleich in die Hosen macht. Unnötig. Das meiste ist Show. Ich sag immer: Der ›Playland Club‹ ist Kuschel-SM. Die echte Szene ist ganz anders drauf. Härter, gnadenloser. Hier läuft nur eine Party in Sadomaso-Verkleidung. Lauter Normalos, die sich ein bisschen Gänsehaut abholen. Komplett harmlos.«
Mit grenzenloser Erleichterung hörte Anne zu. »Alles nur Show?«, wiederholte sie. »Und die Schreie? Sind gar nicht echt?«
Das Mädchen grinste. »Was heißt schon echt? Wenn du mit deinem Kerl im Bett liegst – wirst du da nicht auch manchmal etwas lauter, obwohl du gerade über die Steuererklärung nachdenkst?«
»Sie meint einen gespielten Orgasmus«, übersetzte Tess und fing auch gleich an, zu stöhnen und zu ächzen: »Ja, mmmmh, oooohh, jaaaa …! Gib’s mir!«
»Darf ich Sie beim Wort nehmen?«
Tess verstummte. Neben ihr stand ein großer Mann in einemschwarzen Ledertanga und einem gleichfarbigen ärmellosen Netzhemd. Seine Schläfen waren leicht ergraut.
O, nein, der Fürst der Finsternis!, durchfuhr es Anne. Wie hat er uns in dem Durcheinander gefunden?
»Möchten Sie erst Ihre Cola trinken oder gleich mit mir
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