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Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)

Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)

Titel: Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Berg
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heraus und blies den Staub weg. In einer Kiste ganz oben im Regal fand sie eine Tüte mit Farbtuben und eingetrockneten Pinseln. Aber wo sollte sie malen?
    Sie entschied sich für das Kinderzimmer. Es war der einzige Raum der Wohnung, in dem man Oma Brownies Handschrift spürte. Und der deshalb eine charmante Gemütlichkeit ausstrahlte. Alle anderen Zimmer zeugten von Joachims Coolness und von der unpersönlichen Perfektion seiner Mutter. Wie aus dem Möbelhauskatalog.
    Anne hatte es bisher nie gestört, aber auf einmal ertrug sie es nicht mehr. Die Wohnung hätte von irgendwem sein können. Sicher, sie war hell und luftig. Aber es fehlte die Spur des gelebten Lebens – das Individuelle, Unverwechselbare, das Herzblut. Außerdem – wozu eine weiße Couch, wenn man ein kleines Kind hatte? Joachim bekam jedes Mal fast einen Herzinfarkt, wenn sich Lars auf die Couch setzte. Und dann diese steife »Essgruppe«, ein Hochzeitsgeschenk ihrer Schwiegereltern. Aus Kunststoff! Abwischbar, desinfizierbar, scheußlich. Auch im Schlafzimmer herrschte der diskrete Charme der Sterilität. Anne hätte am liebsten die Farben genommen und sämtliche Wände und Möbel damit bemalt.
    Fürs Erste gab sie sich mit ihrem alten Aquarellblock zufrieden. Die Blätter waren nach all den Jahren leicht vergilbt. Konnte man ja zum kreativen Prinzip erklären. Ihre Mutter hätte es genauso gemacht. Jetzt brauchte Anne nur noch Blumen.
    Sie holte den verblühten Rosenstrauß von Joachim aus der Küche. War das nicht sogar ein sehr gutes Motiv? Diese welken Blütenblätter, die hängenden Köpfe? Auch das hätte ihrer Mutter gefallen. Für sie gab es kein Schön oder Hässlich, Richtig oder Falsch.
    Eine Stunde später betrachtete Anne ihr Werk. Es war beachtlich, im Vergleich zu den lieblichen Blumenaquarellen,die sie früher gemalt hatte. Es hatte etwas Wahres, Authentisches. Keine geschönte Wirklichkeit, keine herbeigezwungene Idylle. Einfach nur echt. Ein Sinnbild der Vergänglichkeit. Anne erschrak. War das ein Selbstportrait? Marschierte sie mit großen Schritten in ein verwelktes Alter? Was erwartete sie eigentlich noch vom Leben?
    Ich will mich spüren, dachte sie, ich will Lust und Leidenschaft, ich will das Lachen und den Spaß! Und jede Menge Abenteuer, egal, ob verboten oder nicht!
    Entschlossen löste sie das Blatt vom Block und begann ein neues Bild. Keine Blumen diesmal. Keine zarten Farben. Ungemischt ließ sie Rot, Schwarz und Ocker in das nass getränkte Papier laufen. Sah zu, was passierte, formte wild zuckende Körper daraus. Schließlich legte sie den Pinsel zur Seite und malte mit den bloßen Händen. Sie verrieb ein wenig Deckweiß an den Konturen der Körper, um mehr Kontraste zu erhalten, und wischte ein Karmesinrot hinein, dann ein düster glühendes Violett.
    Nach einer Weile stand sie auf und schaute sich an, was entstanden war. Das Ergebnis machte sie sprachlos. Ihr war gleichgültig, wie Joachim es finden würde. Sie wollte auch nicht Kunstgeschichte schreiben. Aber dieses Bild atmete, es dampfte nahezu, war in Bewegung. Pure Sinnlichkeit. Brüllendes Leben. Mit allen Unwägbarkeiten und Risiken, die nun mal dazugehörten. Ein Glücksstrom durchpulste sie. Der berühmte Flow, von dem ihre Mutter immer schwärmte. Das herrliche Gefühl, ganz eins zu sein mit dem, was man tut.
    Anne holte altes Zeitungspapier, breitete es auf dem Boden aus und legte die beiden Blätter zum Trocknen darauf. Eine angenehme Mattigkeit erfasste sie. Sie fühlte sich, als hätte sieeinen Berg bestiegen und könnte jetzt die Welt von oben betrachten. Gelassener, aber auch freier. Und mit einer unglaublichen Freude, dass sie, Anne, existierte.
    ***
    Oma Brownie hockte in einem Beet und pflanzte Primeln. Lars stand in einer zu großen grünen Gärtnerschürze daneben und begoss jedes frisch gesetzte Pflänzchen mit etwas Wasser aus der Gießkanne. Innerhalb weniger Tage hatte sich der Garten in ein blühendes Paradies verwandelt. Die Bäume und Büsche waren in der Frühlingssonne grün geworden, die Vögel zwitscherten wie verrückt, ein leichter Wind bewegte die Zweige der Bäume.
    Es war erst halb fünf, doch Anne hatte es zu Hause nicht mehr ausgehalten. Die Sehnsucht nach Lars hatte sie hergetrieben. Außerdem brannte sie darauf, ihrer Mutter die beiden Bilder zu zeigen, die sie in einer Mappe bei sich trug.
    »Hallo Lars, hallo Schuschu!«, rief sie, als sie das rostige Gartentor aufschob.
    Lars ließ die Gießkanne fallen und rannte auf

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