Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)
noch.«
Er machte eine galante kleine Geste. »Wir sehen uns am Freitag. Um sieben in der Kanzlei.«
Sollte Anne ihm sagen, dass sie wahrscheinlich gar nicht kommen würde? Und dass Joachim vermutlich auch keinen Wert darauf legte, Anne auf dieser Feier zu sehen? Sie beschränkte sich auf ein vages Nicken.
Sobald Klaus von Bernstorff gegangen war, öffnete sich die Tür eines der Behandlungszimmer, und Leila kam heraus. Im Ausschnitt ihres weißen Kittels schimmerte eine Perlenkette.
»Ist der von Bernstorff ein Verehrer von dir?«, fragte sie. »Der war ja zuckersüß zu dir.«
»Lauschst du etwa?«, fragte Anne zurück. »Nicht gerade die feine Art.«
Was für ein Geheimnis hatte Leila? Warum stahl sie Medikamente? Betrieb sie einen schwungvollen Schwarzhandel mit dem Zeug? Anne betrachtete die Kette etwas genauer. Sie selbst besaß ähnliche Perlen, jene, die sie von Joachim zum ersten Hochzeitstag bekommen hatte. Sie waren ziemlich teuer gewesen.
»Sag mal«, Anne zeigte auf Leilas Ausschnitt, »sind die echt?«
Entrüstet tippte Leila auf ihr Dekolleté. »Ich habe keine gemachten Boobies! Alles Natur!«
Anne musste lachen, obwohl ihr nicht zum Lachen zumute war. »Deine Brüste meinte ich auch nicht, sondern die Perlen. Du musst eine ganze Menge Geld dafür hingelegt haben.«
Unwillkürlich griff Leila nach der Kette. Man spürte das Schuldbewusstsein eines Menschen, der sich in irgendetwas reingeritten hatte. Anne jedenfalls spürte es überdeutlich.
»Die – sind ein Geschenk.« Die Arzthelferin dachte kurz nach. »Und echt sind sie auch nicht.«
Anne glaubte ihr kein Wort. Sie war zwar keine Expertin für Schmuck, aber diesen edlen Schimmer konnte man nicht aus Kunststoff herausholen. Das hatte sie damals schon im Juweliergeschäft bemerkt, als der Händler ihr zur Demonstration falsche Perlen neben die echten gelegt hatte.
»Du kannst jederzeit mit mir reden, wenn du was auf dem Herzen hast«, sagte sie so beiläufig wie möglich. »Dir macht doch was zu schaffen.«
Zaudernd stand Leila da. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und marschierte in Richtung Mitarbeiterzimmer. Anne seufzte. Sie war nicht die Einzige, die ein Problem hatte. Ein Problem? Viel zu viele!
In der Mittagspause meldete sie sich bei Tess, doch es sprang nur die Mailbox an. Dafür hatte Joachim ihr geantwortet, ungewohnt ausführlich, aber mit stahlharter Diktion.
Playland = SM-Club (hab es gegoogelt). Glaube nicht, dass ich dir weitere Erklärungen schulde. Denke jetzt nach. Habe ein paar Klamotten geholt und wohne bis auf weiteres in einer Pension. Grüß Lars.
Anne löschte die SMS. Sie wollte nicht versucht sein, sie ein weiteres Mal zu lesen. Jedes Wort tat weh. Wie kalt er geschrieben hatte. Der einzige, aber auch wirklich einzige Trost war, dass er nicht Muttis voluminösen Mutterbusen nassheulte. Wenigstens durfte ihre Schwiegermutter nicht diesen Triumph auskosten.
Mit zusammengebissenen Zähnen stand Anne die nächsten Stunden durch. Setzte die freundliche, verbindliche Maske auf. Sprach, telefonierte, schrieb wie ein Automat. Dann endlich konnte sie sich in ihren Mini flüchten, setzte sich ans Steuer und starrte durch die Windschutzscheibe ins Leere. Aus dem Sexfrust und ihren Versuchen, daran etwas zu ändern, hatte sich nach dem Schneeballprinzip eine ganze Lawine entwickelt. War sie Schuld an diesen Katastrophen? Würde die Lawine sie unter sich begraben?
Nein, dachte sie, ich habe mit den besten Absichten gehandelt. Ich habe nur ein bisschen am Lack meiner Ehe gekratzt und festgestellt, dass unter dem hübschen Anstrich reichlich morsches, verwurmtes Holz zum Vorschein kam. So wie bei manchen Antiquitäten, die Oma Brownie restauriert. Was würde sie wohl zu dem Schlamassel sagen?
***
Um vier Uhr, Anne schloss gerade die Wohnungstür auf, rief Tess an. Ihre Stimme klang völlig verändert: kehlig, aufgeraut, erotisiert. Als hätte sie einen Kurs in Telefonsex belegt.
»Süße, ich kann dir nur sagen: Holla, die Waldfee! Es ist ein wilder Ritt. Ramon trägt mich auf Händen. Frag nicht, was er noch für Dinge mit mir anstellt. Er führt mich auf meine dunkle Seite. Ein unglaublicher Mann! Ich kann nicht fassen, dass ich es so lange mit dem lahmen Bernd ausgehalten habe. Mein Fürst der Finsternis ist Gentleman und Bad Boy zugleich, verstehst du? Überreicht mir einen Arm voller Orchideen, und im nächsten Moment fesselt er mich. Seit Samstag hat sich die Erde mindestens hundertmal für mich
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