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Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)

Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)

Titel: Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Berg
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Badezimmer, lief zur Wohnungstür und öffnete sie.
    Tess sah sie von oben bis unten an. »Wie siehst du denn aus?«
    »Wieso?« Anne schaute an sich herab. Ihr T-Shirt, ihre Jeans, sogar ihre Strümpfe hatten Farbspritzer abbekommen. »Ach so.«
    »Malen nach Zahlen?«, fragte Tess.
    »Sieh es dir selber an.«
    Tess folgte ihr ins Kinderzimmer. Auf dem Schreibtisch von Lars sah es aus wie nach einem Farbmassaker. Offene Tuben lagen kreuz und quer neben dem Aquarellblock, daneben Pinsel und das Messer. In der Mitte aber klaffte ihnen eine Wunde entgegen. Da, wo Anne das Papier zerschnitten hatte, war leuchtend rote Farbe in die tieferen Schichten des Blocks eingesickert, daneben glühte es schwarz und violett.
    »Wunderschön!«, flüsterte Tess. »Das ist wunderwunderschön!«
    »Ehrlich?«, fragte Anne verblüfft. »Ist es nicht etwas furchterregend?«
    »Blödsinn.« Tess beugte sich über das Bild. »Das ist sinnlich! Das ist emotional! Das ist einfach großartig!« Sie drehte sich zu Anne um. »Hast du noch mehr davon?«
    »Zwei Bilder hat meine Mutter«, erwiderte Anne. »Mehr gibt es nicht, außer den Blumenaquarellen von früher. Aber du musst gar nicht groß Begeisterung heucheln. Ich weiß selbst, dass es etwas, naja, chaotisch ist.«
    »Chaotisch?« Tess richtete sich auf und pustete sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Ihre Augen funkelten. »Das ist das Beste, was ich seit langem gesehen habe! Bei uns in der Bank gibt es von Zeit zu Zeit Kunstausstellungen, lauter ödes Zeug. Lauwarm, einfach nur gequirlte K …«
    »Tess!«
    »Komm schon, dies ist zwar das Zimmer von Lars, aber er kann ja nicht hören, was die unartige Tante Tess sagt. Süße, du weißt es noch nicht, doch von mir kannst du’s schriftlich haben: Du bist eine Künstlerin!«
    Anne schluckte. Sie hatte hohen Respekt vor Künstlern. Vor echten Künstlern. »Ich bin nur eine Sonntagsmalerin, die vor langer Zeit das Studium der Kunstgeschichte abgebrochen hat und nun ein bisschen rumprobiert.«
    »Soso, du bist eine Sonntagsmalerin!« Tess sah richtig ärgerlich aus. »Hat Joachim dir das reingedrückt? Guck mal auf den Kalender! Heute ist Montag. Wenn du wirklich nur so als Hobby malen würdest – hättest du dich dann nach einem langen Arbeitstag hingesetzt und diesen Wahnsinn von Bild hingepfeffert?«
    Anne starrte stumm auf den Aquarellblock.
    »Siehst du«, grummelte Tess, »jetzt fällt dir nichts mehr ein. Hör bloß nicht auf zu malen. Mach weiter. Ich will mehr davon!«
    Es schien ihr ernst zu sein. Immer wieder schaute sie das Bild an, ging einen Schritt zurück, dann wieder ganz nah ran. Schließlich legte sie Anne einen Arm um die Schulter. »Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass die brave, angepasste Anne endlich aus sich herausgeht.«
    »Und was hab ich davon?«, brach es aus Anne heraus. »Seit ich angefangen habe, mich freizuschwimmen, geht alles den Bach runter! Joachim ist weg! Verstehst du denn nicht? Die ganze Sache ist aus dem Ruder gelaufen!« Sie war den Tränen nahe.
    »Abwarten«, sagte Tess. »Der kommt wieder. Betrachte es als Auszeit, in der du tun und lassen kannst, was du willst.«
    »Und was zum Beispiel?«
    Annes Freundin warf die Arme in die Luft, wie ein Zirkusdirektor, der seine beste Nummer ankündigte. »Club de Sade!«
    »Geht das noch ein bisschen genauer?«
    »Der Marquis de Sade war ein Lüstling erster Güte«, dozierte Tess, den gespreizten Tonfall ihres finsteren Fürsten imitierend. »Ein französischer Adeliger, Mitte des 18. Jahrhunderts geboren. Verderbt, lasterhaft. Ein Meister der Schmerzen. Seine Orgien waren berühmt und berüchtigt. Er liebte es, bei Auspeitschungen zuzusehen.«
    Anne spürte eine Gänsehaut ihren Rücken hinunterkriechen. »Das ist ja schauerlich.«
    »Auf abgelegenen Schlössern, aber auch mitten in Paris zelebrierte er die Kunst der exquisiten Qualen«, setzte Tess ihren kleinen Vortrag fort. »Mit Prostituierten, Schauspielerinnen, Zofen, Bauernburschen, sogar Angehörigen des Hochadels. Er hatte sie alle. So wie mein Fürst der Finsternis.«
    »Sag mal, kann es sein, dass du gerade durchdrehst?«, fragte Anne.
    Tess fiel in ihren normalen Tonfall zurück. »Nö. Wieso?«
    »Dieser Ramon, was hat er mit dir gemacht? Erpressung? Gehirnwäsche? Drogen?«
    »Schön, dass du fragst.« Tess schloss theatralisch die Augen. »Er hat mich wachgeküsst. Er hat mir gezeigt, wer ich wirklich bin – zur Sklavin geboren!«
    Spätestens jetzt war Anne überzeugt, dass ihre

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