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Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)

Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)

Titel: Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Berg
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gedreht!«
    Anne zog mit einer Hand ihre Schuhe aus, während sie mit der anderen das Handy umklammerte. Hoch beunruhigt öffnete sie die Balkontür und ließ sich im Trenchcoat auf den Liegestuhl fallen. Eine zarte Frühlingssonne wärmte die Blüten von Oleander und Hortensien, die in den letzten Tagen aufgegangen waren.
    »Tess, ich gönne dir alles, wirklich. Und es ist schön, dass Ramon dich so verwöhnt. Normalerweise bedeutet das Wertschätzung. Aber es gibt Ausnahmen von der Regel.«
    »Ausnahmen sind meine Welt!«, juchzte Tess, wie ein hysterischer Teenager. »Jetzt verdirb mir nicht den Spaß! Ich bin nicht so bescheuert wie diese Frauen, die auf die Anzeige ›Brustvergrößerung durch Handlauflegen‹ reinfallen.«
    »Nein, bist du nicht«, bestätigte Anne. »Aber …«
    »… kein Aber«, fiel Tess ihr ins Wort. »Heute Abend lernst du Ramon näher kennen. Dann änderst du deine Meinung, glaub mir.«
    »Ach, ich dachte, wir treffen uns zu zweit?«, fragte Anne mit einem Anflug von Enttäuschung.
    »Ein andermal, Süße. Ramon hat gerade eine sehr schwierige Trennung von seiner Sklavin hinter sich. Er braucht mich.«
    Trennung! Sklavin! In Annes Ohren schrillten Alarmglocken. »Herrschaftszeiten noch mal, Tess! Der Typ ist auf Entzug! Du bist für ihn nur so eine Art Ersatzdroge!«
    Einen Augenblick war es still am anderen Ende. »Selbst wenn’s so wäre – dann bin ich eben sein Nikotinpflaster. Oder was auch immer. Bitte komm heute Abend. Es wird ein Blue Monday, etwas ganz Besonderes, sagt Ramon! Oder hält dich Joachim in seinen Aktenordnern gefangen?«
    Joachim. Als hätte ein Kipplaster eine Ladung Pflastersteineüber sie ausgeschüttet, sank Anne in sich zusammen. Alles war auf einmal wieder da. Der scheußliche Streit am Abend zuvor. Die Sätze, die sie Joachim an den Kopf geworfen hatte. Der lange Schatten von Charlotte Stark. Die stahlharte SMS von Joachim. In der Praxis hatte sie das einigermaßen verdrängen können. Aber hier, in der leeren Wohnung, wo niemand auf sie wartete, wo sie ganz allein war, stürzten die Pflastersteine polternd auf sie ein.
    »Joachim …« Anne räusperte sich, »… ist ausgezogen. Vorübergehend jedenfalls.«
    »Nein! Herr im Himmel!«
    »Der Herr ist nicht im Himmel, er ist in einer Pension«, erwiderte Anne mit dem letzten Rest Sarkasmus. »Er hat deine SMS von letzter Nacht gelesen. Und den ›Playland Club‹ gegoogelt.«
    »Verflixt!« Tess atmete hörbar schwer. »Süße, Planänderung. Ich komme um halb sechs vorbei. Wir reden, danach gehen wir in den Club de Sade. Muss jetzt Schluss machen, bis gleich.«
    Tess und ihr Liebesleben. Eine never-ending story. Auf einmal überwältigte Anne die Sehnsucht nach Joachim. Sie hatten Höhen und Tiefen erlebt, aber immer zusammengehalten. Hinter all der Trauer und der Wut hatten sich ihre Gefühle für ihn nicht verändert. Sie liebte ihn. Ja, sie liebte diesen verdrahteten, knochentrockenen Mann, wie Tess ihn nannte. So eindimensional, wie ihre Freundin ihn sah, war er nämlich gar nicht. Er konnte zärtlich sein, aufmerksam, fast rührend. Und sicher vermisste er Anne genauso wie sie ihn. Wie trostlos es sein musste, abends allein in einer Pension herumzusitzen.
    Sie gehörten zusammen, das spürte sie.
    »Ich vermisse dich«, tippte sie ins Handy. »Können wir uns aussprechen? Kuss, A.«
    Die Minuten vergingen, aber seine Antwort blieb aus. Unschlüssig saß Anne auf dem Liegestuhl. Dann spürte sie den Sog. Es kribbelte in den Fingern, es drängte aus ihr heraus, stark, mächtig, nicht zu bremsen – all die Bilder, die Erlebnisse, die Gefühle der letzten Tage. Sie lief in die Wohnung, schleuderte ihren Trenchcoat von sich, nahm Staffelei und Farben und rannte ins Kinderzimmer.
    Es wurde ein wüstes, düsteres Bild. Aber auch kraftvoll. Anne malte wie besessen. Mit dem Pinsel, mit den Händen, schließlich mit einem Küchenmesser. Immer wieder kratzte sie Farbe ab, trug neue auf, verrieb und verstrich alles, träufelte Wasser darüber, um am Ende das Papier mit dem Messer aufzuschlitzen.
    Irre, dachte sie, als sie das fertige Bild betrachtete. Ein Spiegel meiner Seele.
    Man konnte keine Gegenstände erkennen, eigentlich gar nichts Bestimmtes, nur den gewaltigen Ausbruch von Gefühlen.
    So versunken war sie in den Anblick, dass sie das Türschellen überhörte. Erst als es Sturm klingelte, schreckte Anne auf. Sie hatte fast zwei Stunden gemalt! Eilig wusch sie sich die farbverschmierten Hände im

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