Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)
Freundin neuerdings einen schweren Schatten hatte. Zur Sklavin geboren? Diese selbstbewusste, erfolgreiche Investmentbankerin, die sonst alle Männer lässig in die Tasche steckte? Das war ja wohl die Höhe!
Wie eine Tänzerin vollführte Tess eine Pirouette und reichte Anne die Hand. »Lass dich entführen ins Reich der Sinne!«
Kapitel sieben
Anne kam nur mit, weil sie Tess auf keinen Fall allein lassen wollte. Ihre Freundin wirkte wesensverändert. In einem Moment war sie die gute, alte Tess, frech und spritzig, im nächsten Moment faselte sie von Unterwerfung und ihrem Gebieter. So ging es während der gesamten Autofahrt. Sobald das Gespräch von Ramon handelte, verdrehte Tess die Augen und bekam diesen windelweichen Gesichtsausdruck, der Anne schon in der Umkleide des »Playland Club« gestört hatte. Das passte nicht zu Tess. Jedenfalls nicht zu der Frau, die Anne nun schon seit zehn Jahren kannte.
Allmählich fragte sie sich, wie gut man einen Menschen überhaupt kennen konnte. Wie gut kannte sie Joachim? Hatte er auch dunklen Seiten? Oder eine dunkle Vergangenheit? Als sie geheiratet hatten, war er sechsunddreißig gewesen. Alt genug, um schon eine Menge erlebt zu haben. Und seine Vorliebe für Internet-Pornos war ein eindeutiger Hinweis darauf, dass Anne längst nicht alles über ihn wusste.
»Fahr schneller«, mahnte Tess ungeduldig. »Es ist kurz vor sieben. Wir müssen rechtzeitig da sein, Ramon will es so.«
»Ach, ist er einer von den Pünktlichen?«
»Nein, der Fürst der Finsternis hat seine eigenen Gesetze.« Jetzt sprach wieder Tess, die Sklavin, mit unterwürfiger Samtstimme. »Er lässt mich warten. Du glaubst nicht, wie erregend das ist. Gestern hat er mich in ein Hotelzimmer bestellt – und ist erst zwei Stunden später erschienen.«
»Vorfreude ist die schönste Freude«, sagte Anne trocken. »Normalerweise nennt man das Verspätung.«
»Du verstehst das nicht. Es ist ein hocherotischer Countdown. Du sitzt da, malst dir aus, was er wohl mit dir tun wird, hast Herzklopfen und Fracksausen. Und wenn er dann erscheint, macht er dich zur glücklichsten Frau der Welt.«
Anne bremste und brachte den Wagen vor einer roten Ampel zum Stehen. »Das Problem ist, dass du das wirklich glaubst.«
»Ich glaube es nicht, ich fühle es!«, säuselte Tess. Es hatte keinen Sinn. Anne gab es auf, Tess zur Vernunft zu bringen. Als die Ampel auf Grün sprang, legte sie einen Kavalierstart hin, um sich abzureagieren. Sie verging vor Sorge um Tess. Oder sah sie mal wieder Gespenster?
Um kurz vor sieben hielten sie vor einer großen Villa. Kein heruntergekommenes Gebäude diesmal, sondern ein herrschaftliches Anwesen in feiner Wohngegend. Es lag in einem hell erleuchteten, gepflegten Park. Eine kiesbestreute Auffahrt führte zu einem prachtvollen stuckverzierten Haus mit vier weißen Säulen. Eins musste man dem selbsternannten Fürsten der Finsternis lassen: Er spielte in der Oberliga.
Anne parkte ihren Mini neben einer Reihe edler Karossen. Den Nummernschildern nach zu urteilen, kamen die betuchten Gäste nicht nur aus der Nähe, sondern auch von weither. Musste ja ein dolles Ding sein, dieser Club. Auf einmal fühlte sich Anne albern in ihrer roten Korsage. Seit dem Abend im »Playland Club« wusste sie, dass ihr Outfit in der SM-Szene als Zofendress galt. In so einer Villa als Zofe rumzulaufen, konnte ja wohl nur bedeuten, dass man sie für niedere Dienste einsetzte. Aber wie würde das konkret aussehen? Getränkeservieren, Damen entkleiden, Peitschen anreichen? Grundgütiger!
»Ich bin so aufgeregt!« Aufgeregt war noch untertrieben. Tess zappelte herum wie eine Erstklässlerin.
»Wir lassen alles gaaanz ruhig auf uns zukommen«, sagte Anne, während sie ausstieg. Sie dachte kurz nach. »Lass uns ein Codewort vereinbaren.«
»Ein Codewort?«
»Ja, wenn du weg willst. Irgendein Wort, damit ich Bescheid weiß. Dann machen wir die Biege.«
»Das wird nicht nötig sein«, verkündete Tess hoheitsvoll.
Da war Anne aber ganz anderer Meinung. Schweigend stöckelten sie über den Kies auf den Eingang der Villa zu. Davor hatte sich ein kleiner Stau gebildet. Etwa zwanzig Gäste in eleganten Mänteln und mit schwarzen Augenmasken warteten in einer Schlange. Vor dem Portal nahm ein livrierter Diener etwas entgegen, was nach Einladungskarten aussah.
»Wir kommen da gar nicht rein«, flüsterte Anne erleichtert. »Ist nur für geladene Gäste.«
»Rate mal, was ich habe!«, Tess zog zwei Büttenkuverts aus
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