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Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)

Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)

Titel: Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Berg
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ihrer Handtasche. »Wir werden fürstlich verwöhnt!«
    Es gab kein Entrinnen. Tess wirkte sowieso dermaßen wild entschlossen, dass sie vermutlich sogar durchs Klofenster in diesen edlen Schuppen geklettert wäre, wenn sie keine Einladung gehabt hätte. Feierlich überreichte sie Anne eine Augenmaske und setzte selbst eine auf.
    »Heute ist der Blue Monday. Die Spiele mögen beginnen!«
    Sie stellten sich hinten in der Schlange an. Das gab Anne Gelegenheit, die anderen Leute näher zu betrachten. Alle Altersstufen waren vertreten. Jüngere Paare in teuren modischenSteppjacken, Frauen mittleren Alters in Pelzen, gesetzte Herren in dunkelblauen und kamelhaarfarbenen Blazermänteln. Obwohl alle Masken trugen, spürte man die gespannte Erwartung. Alle beäugten einander verstohlen, flüsterten und tuschelten.
    Anne musste an Lars denken, der gerade mit seiner Taschenlampe durch den Kindergarten geisterte und Soja-Marie erschreckte. Und sie stand vor einer geheimnisvollen Villa, wo eine Sadomaso-Orgie auf sie wartete. Sie konnte nur von Glück sagen, dass Frau Landmann sie nicht sah, in ihren High Heels, mit nichts als einer sündigen roten Straps-Korsage unterm Trench.
    »Gleich sind wir dran«, raunte Tess ihr zu.
    Es war nur noch ein Paar vor ihnen. Der livrierte Diener, der an der Treppe zum Eingang stand, machte ein hochmütiges Gesicht. Er war totenbleich, sein schlohweißes, senkrecht aus der Stirn gekämmtes Haar stand ihm buchstäblich zu Berge. Ohne eine Miene zu verziehen, holte er die Einladungskarten aus den Büttenumschlägen und verglich sie mit der Namensliste in einem Gästebuch. Es war so dick wie eine Bibel. Aufgeschlagen lag es auf einem Stehtisch, daneben standen gefüllte Champagnergläser.
    »Der Typ sieht aus wie aus dem Wachsfigurenkabinett«, kicherte Anne.
    Tess, die alte freche Tess, fing ebenfalls an zu kichern. »Den haben sie bestimmt aus der Gruft geholt. Wie der aussieht, schläft er tagsüber in einem Sarg.«
    Anne gluckste. »Der wird abends nicht geweckt, der wird wiederbelebt!«
    Jetzt waren sie an der Reihe. Stolz reichte Tess dem Dienerdie beiden Kuverts. Anne dagegen interessierte sich mehr für die Gläser. Ein Schluck Champagner, warum nicht? Zur Not konnten sie später ein Taxi nehmen.
    »Guck mal Tess, Prossetscho!«, sagte sie, streckte die Hand nach einem der Gläser aus, machte einen Schritt vorwärts – und übersah eine Treppenstufe. Erschwerend kam hinzu, dass sie die High Heels trug, mit denen sie schon Joachim am denkwürdigen Abend der großen Verführung entgegengestolpert war.
    Alles, was nun geschah, erlebte Anne wie in Zeitlupe. Mit der rechten ausgestreckten Hand suchte sie Halt am Stehtisch, riss ihn krachend um, ihre linke Hand klammerte sich an Tess, die kreischend mit Anne zu Boden ging, während der Diener, der ihnen zur Hilfe eilte, mit einem heiseren Schrei auf sie draufpurzelte.
    Verdutzt blinzelte Anne in die gleißend hellen Laternen des Eingangsbereichs. Es war so peinlich! Vor all diesen Leuten! Aber es war noch was: saukomisch.
    »Du bist unmöglich«, schimpfte Tess, konnte sich das Lachen aber ebenfalls nicht verbeißen.
    »Das war doch mal ein großer Auftritt«, prustete Anne los.
    Tess starb fast vor Lachen. »Du fällst schon auf die Knie, bevor es überhaupt losgeht! Ausgerechnet du!«
    Unter den strengen Blicken des Dieners, der weich gelandet war und bereits wieder auf seinen spiegelblanken Lackschuhen stand, rappelten sie sich auf. Böse starrte er die beiden Frauen an. Wollte er ihnen etwa eine Standpauke halten? Anne sah ihn leicht schuldbewusst an. Nanu? Was war mit seiner Frisur passiert?
    »Ihr – Ihr Toupet ist verrutscht«, platzte es aus ihr heraus.
    Um Tess war es nun endgültig geschehen. Lachtränen, vermischt mit Wimperntusche, liefen ihr übers Gesicht. Es war aber auch ein zu schräger Anblick: Dem guten Mann hing das sorgfältig toupierte Haarteil bis zum Kinn, seine Glatze glänzte wie poliert.
    »Nichts wie weg hier!« Ohne sich noch einmal nach dem indignierten Diener umzusehen, lief Tess die Stufen zu einem wuchtigen Eichenportal hoch, dessen Flügel weit geöffnet waren. Anne suchte derweil hinkend einen ihrer High Heels, den sie bei dem Sturz verloren hatte. Nachdem sie ihn unter dem umgekippten Stehtisch gefunden hatte, lief sie hinter Tess her und holte sie in der Eingangshalle ein.
    »Jetzt haben wir wenigstens ein Codewort«, kicherte sie, »Prossetscho!«
    Tess war stehengeblieben, den Kopf in den Nacken gelegt.

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