Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)
Reihe von Gemälden, die kostbar gerahmt waren.
»Seine Ahnengalerie!« Tess juchzte verzückt. »O, mein Fürst der Finsternis, wo bist du?«
»Hier!«
Die beiden Freundinnen zuckten zusammen. War da jemand?
»Willkommen im Club de Sade«, sagte eine sonore Männerstimme, die unverkennbar Ramon gehörte. »Wie ich die Ehre hatte, miterleben zu dürfen, habt ihr euch schon mit den Lokalitäten vertraut gemacht.«
In diesem Moment entdeckte Anne den Lautsprecher, der zwischen zwei Gemälden hing. Und eine Kamera, die direkt auf sie gerichtet war.
»Nur Mut, meine reizenden Novizinnen«, schmeichelte die Stimme. »Die Große Zeremonie findet im Ballsaal statt. Ihr erreicht ihn, wenn ihr eure wohlgeformten Beine nach links, bis zum Ende des Gangs bewegt. Dort findet ihr eine Tür mit zwei gekreuzten Schwertern. Tretet ein und begebt euch auf eine Reise in die Welt ungezügelter Lust.«
»Er hat uns die ganze Zeit beobachtet!«, raunte Tess.
»Ja, es gibt überall Kameras hier.«
Anne begriff langsam, wie durchtrieben dieser Ramon war. Und dass Tess sich völlig arglos einem Kerl auslieferte, der nicht zu unterschätzen war. Vermutlich saß er in irgendeinerKommandozentrale und ergötzte sich an den Bildern, die ihm die vielen Kameras lieferten.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte sie.
In den Augen von Tess glitzerte es unternehmungslustig. »Auf in den Ballsaal!«
Ihre Absätze klapperten auf dem gebohnerten Parkett, als sie den Gang entlangstöckelten, bis sie die Tür mit den gekreuzten Schwertern erreichten.
»Das Codewort heißt Prossetscho«, schärfte Anne ihrer Freundin ein letztes Mal ein. »Sobald du es sagst, hole ich dich da raus!«
»Geht klar, mein Hase.« Tess zwinkerte ihr lasziv zu. »Bereit für die Reise in Ramons aufregende Welt?«
Anne dachte gerade über die Vorteile einer Reiserücktrittsversicherung nach.
***
Sobald sie die schwere gepolsterte Tür geöffnet hatten, umfing sie eine Szenerie, die Anne den Atem stocken ließ. Der hohe, reich ausgeschmückte Ballsaal war voller Menschen, die zu den Klängen eines kleinen Orchesters tanzten. Es mochten an die hundert Personen sein. Sämtliche Gäste trugen Outfits aus der Fetischabteilung – Lack, Leder, Nieten in allen nur denkbaren Variationen. Und alle stellten ungeniert ihre nackte Haut zur Schau. Der Duft schwerer Parfums lag in der Luft.
Anne schaute hoch zu der goldverzierten Balustrade, wo das Orchester spielte. Was mochten die Musiker in ihren schwarzen Smokings denken? Ramon musste ihnen ein Vermögen zahlen, damit sie Stillschweigen über diese etwas andere Party bewahrten.
»Champagner?« Ein Diener, wie die übrigen Bediensteten in Livree und Lackschuhen, hielt ihnen ein Tablett hin.
Anne und Tess nahmen sich ein Glas. Tess stürzte ihres in einem Zug hinunter. Ihre Augen glänzten verdächtig. Sie schien voll im Film und absolut sorglos zu sein. Anne dagegen nippte nur an ihrem Champagner, um einen klaren Kopf zu bewahren. Nicht, dass diese hocherotische Atmosphäre sie abgestoßen hätte. Es war abgefahren, es war faszinierend, und sie fand es sogar erregend. Doch vermutlich war es nur eine Frage der Zeit, wann die Party in eine härtere Gangart verfallen würde. Anne hatte nicht vergessen, welche Torturen der Folterkeller versprach.
Gerade wollte sie Tess unauffällig zum Ausgang ziehen, als das Orchester einen Tusch spielte. Alle schauten nach oben zur Balustrade. Wie ein König, der sein Volk befehligte, stand ein Mann in einem schwarzen Umhang und einer schwarzen, mit funkelnden Schmucksteinen besetzten Augenmaske an der Brüstung.
Frauen kreischten auf, Männer gaben lauthals Bravorufe von sich, Applaus brandete auf, vermischt mit frenetischem Jubel. Ehrerbietig verneigten sich die Gäste vor dem Fürsten der Finsternis. Nur eine blieb kerzengerade am Rand stehen: Anne.
»Werte Freundinnen und Freunde!«, hob Ramon zu einer Ansprache an. »Es ist mir ein großes Vergnügen, euch begrüßen zu dürfen. Wie ich sehe, habt ihr euch bereits ein wenig angewärmt. Nun schreiten wir zu unserer feierlichen Großen Zeremonie.«
Allgemeines Raunen. Ohne weitere Aufforderung formten die Gäste einen Kreis. Auch Anne und Tess reihten sich ein.
»Heute ist ein besonderer Abend«, fuhr Ramon fort. »Wir nehmen in unseren erlauchten Zirkel zwei Adeptinnen auf, die wir mit der gebührenden Ehre empfangen sollten.«
Als sei er plötzlich aus dem Boden gewachsen, stand vor Anne und Tess der blonde Mann, der Ramon im
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