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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
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sein, wenn ich aber in Wirklichkeit bei Ilya war.
    Vielleicht würde ich Jenny bald einweihen. Nicht in die Details, bloß dass ich mich mit einem Typen treffe, bei dem ich noch nicht so weit bin, dass ich ihn euch vorstellen möchte.
    Am Ende der Gardner Street trafen wir mit einem ganzen Pulk von Leuten zusammen, die teils an der Ampel warteten, bis sie auf Grün sprang, deren anderer Teil sich aber durchdrängte, um bei Rot zu gehen. Es war ein Riesenhaufen Sprachschüler darunter, alle mit ihren kleinen gelben Rucksäcken.
    Einige davon schubsten sich schreiend hin und her, und zwei Jugendliche rempelten Jenny voll an. «Verpisst euch», schimpfte sie leise. Zwei erstaunte braune Augenpaare sahen uns unverwandt an. «Wie bitte?», versuchte einer der Jungen übertrieben sorgfältig zu sprechen.
    Jenny schenkte ihm ihr breitestes Lächeln. «Du blöder Schubser», antwortete sie ihm höflich.
    Und dann war der Kerl auch schon wieder weg, kichernd und die schubsend, die ihn eben angestoßen hatten.
    «Komm, lass uns einen Umweg nehmen», meinte Jen, als die Autos stehen blieben und die Ampel grün wurde. «Ich habe keine Lust, die ganze Zeit hinter denen hinterherzutrödeln.»
    Die Jugendlichen zogen in einer breiten Schlangenlinie die Straße hinunter wie ein Monster mit lauter gelben Höckern, und wir drängten uns zwischen den Autos durch, um dem Gewühl auszuweichen.
    In der Upper Gardner Street war es wie üblich ruhiger. Die Geschäfte, die dort sind, kann man eigentlich gar nicht als richtige Läden bezeichnen. Sie sahen eigentlich eher so aus wie geöffnete Garagen – kleine Lagerhäuser, nehme ich an –, und sie sind vollgestopft mit Antiquitäten und allerhand Krempel.
    Schmerzlich erinnerte ich mich an das erste Mal, bei dem ich Ilya hier in dieser Straße getroffen hatte. Es schien so lange her zu sein, und es war seltsam, ihn mir als Mann vorzustellen, den ich zu der Zeit noch kaum kannte; seltsam, daran zu denken, dass ich vermutet hatte, er würde mir auflauern, bis ich schließlich merkte, dass ich viel eher ihm gefolgt war. Vorausgesetzt, es würde sich so ergeben, dachte ich: Ob ich es heute wohl noch einmal tun würde?
    Ich vermutete, dass ich es wahrscheinlich täte, obwohl mich die Geheimnisse in Ilyas Leben nicht mehr ganz so beschäftigten, wie sie es einmal getan hatten. Ich machte mir mehr Gedanken darüber, wie sich unser Spiel entwickeln würde und ob es wohl irgendwann zu unerfreulich werden würde, da Ilya das Heft doch ziemlich fest in die Hand genommen hatte.
    Jen und ich bummelten, wie man es an einem schönen Sommertag eben tut. Jenny erzählte mir irgendeine Geschichte über einen Freund von einem Freund, die ich bereits kannte. Jenny ist gut im Wiederholen, deshalb hörte ich nur mit halbem Ohr zu.
    Meine Blicke glitten über das zusammengewürfelte Sortiment von Möbeln in den Garagen. Ich hatte die verrückte Hoffnung, dass ich vielleicht eine Neon-Leuchtreklame entdecken würde, auf der «KoolSex» stand, oder vielleicht ein schickes Sofa für einen Zehner.
    Dann, ganz plötzlich, richtete sich meine Aufmerksamkeit auf etwas ganz anderes, denn dort, im Eingang zu einer der Garagen, stand Ilya.
    Ich ging weiter, ermunterte Jenny mit einem kleinen Lachen. In meinem Kopf wirbelte eine verwirrende Vielfalt von Gedanken, und nur ein einziges Bild darin stach klar und scharf hervor: Ilya, der an einen riesigen, klapprigen Kleiderschrank gelehnt stand, einen Becher oder irgendetwas in dieser Art in der Hand, der mit jemandem sprach, der sich tiefer im Raum befand, lachend. Er sah so aus, als fühlte er sich dort ziemlich zu Hause. Er schien nicht dort einzukaufen.
    Was aber tat er dort? War ich über den Grund für seine Heimlichtuerei gestolpert? War er einfach irgendein kleiner, schäbiger Flohmarkt-Möbelhändler?
    Oh, bitte, lass das nicht wahr sein. Lass ihn nicht einen kleinen Hochstapler in der Verkleidung eines Sexgottes sein. Dann wäre er mir ja noch als arbeitsloser Bauarbeiter lieber. Oder als koksfingriger Drogenbaron mit Beziehungen ins Ausland.
    Vielleicht war er es ja auch gar nicht. Vielleicht hatten mir bloß meine Augen einen Streich gespielt. Vielleicht sollte ich lieber nochmal zurückgehen und ein zweites Mal hinsehen, nur um meine Gedanken zu beruhigen.
    Wir erreichten das Ende der Straße und nahmen wieder Kurs auf die Läden.
    «Ahh», sagte Jenny und zog mich hinüber zu einem kleinen Tisch mit Schachbrettplatte. «Nach genau so einem suchen Tom und Clare.

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