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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
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mehrere Reihen Stühle mit gestreiften Bezügen, die alle in die gleiche Richtung zeigten – es sah so aus, als würden Geister einem imaginären Vortragenden lauschen. Hoch oben brummten ein paar Leuchtstoffröhren.
    Wo war er? Und, präziser gefragt, was war er? Ein ehrenwerter Schurke? Ein gemeiner Krimineller? Oder war er nur zufällig hier, um mit einem Freund einen Kaffee zu trinken?
    Ich gab vor, mich für einen gläsernen Armleuchter zu interessieren, bis aus der entferntesten Ecke ein Geräusch an mein Ohr drang. Eine Tür öffnete sich, und drei Männer kamen heraus, lachend und redend. Einer davon war Ilya.
    Was nun?
    Er sah genau in meine Richtung. Als er mich erkannte, verging ihm das Lächeln für einen Moment, bevor er sich zwang, es zurückzuholen. Er ging ein paar Schritte mit den beiden Männern, klopfte dem einen auf die Schulter und wandte sich dann mir zu. Ich bahnte mir einen Weg durch das Gerümpel, um ihm entgegenzugehen.
    «Nun?», sagte er fordernd, aber mit leiser Stimme. «Willst du nicht wenigstens so tun, als wärst du überrascht, mich hier zu treffen, während du hier vorgeblich nach Möbeln suchst?»
    Wir befanden uns zwischen einer hohen Kommode und einem runden Tisch, auf dem ein Schrankkoffer stand. Wieder einmal schien Ilya alles andere als erfreut zu sein, mich auf seinen Fersen zu wissen.
    Ich lächelte, versuchte locker zu bleiben. «Nein», sagte ich, «diesmal hab ich wirklich nach dir gesucht. Hast du irgendwelche Kontakte hier? Weil, wenn das so wäre, hätte ich wirklich gern ein günstiges Kiefernholz –»
    Ilya packte mein Handgelenk.
    «Komm mit ins Büro», zischte er und zog mich unsanft am Arm.
    Er ging, und ich folgte ihm. Vielleicht würde uns diese Sache ja wenigstens irgendwie weiterbringen.
    Ilya führte mich einen weiteren mit Krempel vollgestellten Gang entlang, an dessen anderem Ende wieder so eine Art Garagentür lag. Ich sah auf die Straße hinaus, und einen Moment lang dachte ich, er wollte mich rausschmeißen. Aber stattdessen öffnete er eine Seitentür, schob mich mit einem unwirschen Nicken hinein.
    Das Büro war ziemlich klein, und ein riesiger Schreibtisch mit lederbespannter Arbeitsplatte nahm fast schon die Hälfte davon ein. Der Tisch war fast leer, bis auf ein paar Stifte in einem Becher, ein Telefon und einen Notizblock. Seine einzige Funktion war offenbar, denjenigen, der dahintersaß – wer immer das sein mochte –, sich wichtig fühlen zu lassen.
    «Was, zum Teufel, geht hier ab?», fragte Ilya, als er die Tür zufallen ließ.
    «Dieselbe Frage könnte ich genauso gut dir stellen», antwortete ich kühl, verschränkte meine Arme.
    «Nein», schnauzte er. «Ich hab genug von deinen verdammten Fragen, also warum lässt du’s nicht einfach bleiben, wo du doch weißt, dass ich das nicht abkann? Es geht dich verdammt nochmal überhaupt nichts an, wohin ich gehe, was ich tue, blablabla. Du hast damit einfach nichts zu tun. Es ist verdammt nochmal –»
    Ich wollte gerade protestieren und ihm sagen, dass ich höchstens mal ein bisschen neugierig gewesen sei, was er so mache, und dass er heillos übertreibe, aber Ilya rückte mir plötzlich immer dichter auf den Pelz und machte weiter mit seinen Beschimpfungen, stach dabei immer wieder mit dem Finger in die Luft. Er hatte wieder dieses verrückte, wütende Glitzern im Blick, und ich fragte mich, wozu dieser Mann wohl fähig wäre.
    «Gott», sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen, «kannst du nicht einfach ein bisschen Abstand wahren? Hatten wir nicht eine Vereinbarung? Ging es nicht um ein Spiel? Ein dummes, bedeutungsloses, verdammtes kleines Spiel. Und wir – nein, du, du selbst – hast gedacht, du könnest damit umgehen, aber das kannst du eben nicht. Immer belagerst du mich. Du denkst, ich schulde dir irgendwas, aber das stimmt nicht. Das stimmt nicht, verdammt. Genauso wenig, wie du mir etwas schuldest. Es ist –»
    «Aber immerhin gebe ich dir was», schimpfte ich und trat nervös einen Schritt zurück. «Ich errichte nicht einfach eine Schranke zwischen uns. Ich versuche, dir was von mir zu erzählen, was ich tue … was ich denke –»
    «Na, das solltest du eben besser nicht machen», knurrte er, und die Wut zog eine tiefe Furche zwischen seine düsteren Brauen. «Vielleicht will ich das alles ja gar nicht wissen. Vielleicht interessiert es mich überhaupt nicht. Kannst du das nicht in deinen Kopf reinkriegen? Dass ich nicht wirklich an dir interessiert bin – daran,

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