Gideon Crew 02 - Countdown - Jede Sekunde zählt
Flussufer durchkämmten, wieder in Los Alamos eintraf, war es nach Mitternacht. Mitternacht. Damit brach ein neuer Tag an. Und damit war der N-Day nur noch einen Tag entfernt.
Der Gedanke machte ihn schnell wach, obwohl er todmüde war. Als er sich dem Tech-Areal näherte, wurde er zum neuen Kommandozentrum geleitet, das in einem ungenutzten Lagerhaus unmittelbar außerhalb des Sicherheitszauns eingerichtet worden war. Es wunderte ihn, wie rasch sich die Dinge während seiner Abwesenheit weiterentwickelt hatten.
Als er am Eingang seinen Dienstausweis zückte, sagte der Security-Beamte: »Stone Fordyce? Der Chef möchte Sie sprechen. Dort hinten.«
»Der Chef? Wer ist das?«
»Millard. Der neue Mann.«
Der Chef möchte Sie sprechen. Der Klang des Satzes gefiel ihm gar nicht.
Er drängelte sich an dem Wachmann vorbei, ging an den zahllosen billigen Schreibtischen vorbei, jeder mit einem Computer und einem Telefon darauf, zu einem Kabuff, das hastig in einer rückwärtigen Ecke eingerichtet worden war und als einer der wenigen Plätze im Lagerhaus über ein Fenster verfügte. Die Tür stand offen. Im Kabuff saß ein kleiner, schlanker Mann in Anzug hinter einem Schreibtisch; er hatte ihm den Rücken zugekehrt und telefonierte.
Fordyce klopfte höflich an die offene Tür. Seine beruflichen Instinkte sagten ihm, dass es keine angenehme Besprechung werden würde.
Der Mann wandte sich um, hielt einen Finger hoch und redete weiter. Fordyce wartete.
Er kannte Millard nicht, hatte noch nicht mal den Namen gehört, was ihn allerdings bei einer Ermittlung wie dieser, bei der die Zuständigkeiten erbittert umkämpft waren, gar nicht wunderte. Und jemand musste auf lokaler Ebene ja das Sagen haben – die Dinge waren zunehmend chaotisch geworden, jetzt, da viele Leute Leitungsaufgaben hatten und keine klaren Kompetenzen bestanden.
Er wartete, bis Millard das Telefonat beendete, und sah sich den Mann dabei genauer an: gutaussehend, weiße, protestantische Oberschicht. Hohe Wangenknochen, klare grüne Augen, Mitte fünfzig, graue Schläfen, sportlich und schlank. Er hatte freundliche Gesichtszüge und eine sanfte Stimme. Fordyce hoffte, dass sich das auch auf seine Persönlichkeit erstreckte. Was er aber bezweifelte.
Millard telefonierte noch ein paar Minuten, legte auf, dann schenkte er Fordyce ein Lächeln. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Agent Fordyce. Mir wurde gesagt, Sie wollten mich sprechen.«
»Ah, ja. Millard mein Name. Bitte setzen Sie sich.«
Sie schüttelten sich die Hand. Fordyce nahm auf dem einzigen anderen Stuhl in dem Kabuff Platz.
»Es handelt sich hier um ganz besondere Ermittlungen«, sagte Millard mit angenehmer, ja melodiöser Stimme. »Ungefähr zweiundzwanzig Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste sind direkt beteiligt, dazu kommen noch zahlreiche Unter-Agenturen und geheime Agenturen. Die Lage wird allmählich verwirrend.«
Fordyce nickte unverbindlich.
»Ich glaube, Sie würden als Erster zugeben, dass die Dinge in der New-Mexico-Außenstelle der Ermittlungen ernsthaft schiefgegangen sind. Aber jetzt ist Sonnenberg in den Osten zurückgeschickt worden, und Dart hat mich beauftragt, die Leitung über alle Aspekte der Ermittlungen zu übernehmen. Kein Durcheinander mehr.« Ein angenehmes Lächeln.
Fordyce erwiderte das Lächeln und wartete.
Millard beugte sich vor und verschränkte die Hände. »Ich will nicht um den heißen Brei herumreden. Ihre Beteiligung an diesen Ermittlungen war weniger als erfolgreich. Sie haben Ihren ehemaligen Partner erst als Verdächtigen identifiziert, als Sie darauf hingewiesen wurden, Sie haben ihn nicht bei diesen Dreharbeiten verhaftet, haben ihn nicht in den Bergen ausfindig gemacht, haben ihn nicht festgenommen, als er nach Los Alamos kam, und haben schließlich zugelassen, dass er den Fluss hinunter entkommt. Ihre Leute können seine Leiche nicht finden – wenn er denn tatsächlich ertrunken ist. Sie arbeiten schon lange genug beim FBI, um zu wissen, dass das kein akzeptables Ergebnis ist, besonders in einem Fall wie diesem, bei dem eine Stadt auf dem Spiel steht, das ganze Land in Panik ist, der Präsident und die Kongressmitglieder Tobsuchtsanfälle bekommen und Washington zum großen Teil dichtgemacht worden ist.«
Millard machte eine Pause und faltete die Hände. Seine Stimme war ruhig und angenehm geblieben. Fordyce schwieg. Es gab auch nichts zu sagen. Es stimmte ja alles.
»Ich werde Sie aus den Ermittlungen abziehen und hier im Büro
Weitere Kostenlose Bücher