Gideon Crew 02 - Countdown - Jede Sekunde zählt
falsche Identität zugelegt haben, um eine Green Card zu ergattern oder so …«
»Eine Green Card! Ich bin amerikanische Staatsbürgerin! Was für Vollidioten, einfach unglaublich. Das ist ja der reine Horror …«
Jetzt hatte er sie wirklich auf die Palme gebracht. Gideon fühlte sich schuldig. Erneut unterbrach er sie behutsam. »Die sind ständig auf den letzten vier Ziffern deiner Sozialversicherungsnummer herumgeritten. Offenbar fanden sie die irgendwie merkwürdig.«
»Merkwürdig? Was meinst du damit?«
»Die lauten ja eins-zwei-drei-vier. Klingt ausgedacht, du weißt schon.«
»Eins-zwei-drei-vier? Die Endziffern sind sieben-sechs-null-sechs!«
Gideon legte die Hand ums Telefon und flüsterte heiser: »O nein, ich muss los. Die rufen schon wieder meinen Namen auf. Ich werd tun, was ich kann, um die Krise zu entschärfen. Hör mal, was immer du tust, verrate keinem, dass ich dich gewarnt habe.«
»Warte …!«
Er klappte das Handy zu, lehnte sich zurück und atmete durch. Unfassbar, was er da gerade eben getan hatte. Und der nächste Schritt würde noch übler sein.
Fordyce sah ihn an. Seine Miene verriet nichts.
Gideon rief wieder bei der Telefongesellschaft an. Mit seiner Kleine-alte-Dame-Stimme, brüchig vor Verwirrung und Aufgeregtheit, gab er Kims persönliche Daten durch und meldete ihr Handy als gestohlen. Er bat darum, die Karte zu sperren und die Telefonnummer, alle Daten und das Adressbuch auf das iPhone ihres Sohnes zu übertragen, der sich einen BlackBerry anschaffen und den Anbieter wechseln wolle. Dann nannte Gideon seine eigene Telefonnummer, die Sozialversicherungsnummer und den Mädchennamen seiner Mutter. Als die Angestellte ankündigte, die Datenübermittlung werde bis zu vierundzwanzig Stunden dauern, tischte er mit schluchzender, zittriger Stimme eine verwirrende Geschichte auf, bei der es um ein Baby, einen deformierten Welpen, Krebs und einen Wohnungsbrand ging.
Ein paar Minuten später beendete er das Gespräch. »Die Sache wird zügig erledigt. Wir haben die Info in einer halben Stunde, Maximum.«
»Sie sind ein verfluchter Mistkerl, wissen Sie das?« Und Fordyce lächelte anerkennend.
16
I n der Woche vor dem 22. Dezember waren während der Arbeitszeit einundsiebzig Gespräche von Kims Handy aus geführt worden. Die Nummern, die in Kims Adressbuch verzeichnet waren, konnten sie rasch aussortieren und sich auf den Rest konzentrieren. Es gab immer kleine Gruppen solcher Anrufe, was darauf hinwies, dass Chalker mit dem ausgeliehenen Handy gleich mehrere Telefonate auf einmal erledigt hatte.
Als sie alle diese Anrufe auflisteten, kamen sie auf insgesamt vierunddreißig.
Sie teilten sich die Arbeit auf. Gideon rief an, während Fordyce, der mit seinem Computer Zugriff auf eine rückwärts suchende FBI-Datenbank hatte, persönliche Informationen über die Gesprächsteilnehmer besorgte. In einer halben Stunde hatten sie alle Telefonnummern identifiziert und eine Liste erstellt.
Beide starrten schweigend darauf. Sie wirkte eigentlich ganz harmlos. Da waren Anrufe bei Arbeitskollegen, einer Arztpraxis, einer Reinigung, dem Elektronikmarkt Radio Shack, mehrere beim Imam der Moschee und eine bunte Mischung verschiedener anderer Telefonate. Fordyce stand auf, bestellte sich noch einen dreifachen Espresso und kehrte mit der Tasse zurück, die er bereits auf dem Weg zurück zum Tisch geleert hatte.
»Das Bjornsen-Schreibinstitut hat er dreimal angerufen«, sagte Gideon.
Fordyce grunzte.
»Vielleicht hat er ja irgendetwas geschrieben. Ich sagte ja schon, dass er sich für Literatur interessiert hat.«
»Rufen Sie an.«
Gideon rief an. Er führte ein kurzes Gespräch, dann legte er auf und sah Fordyce lächelnd an. »Er hat einen Kurs für kreatives Schreiben belegt.«
»Ach ja?« Das Interesse des FBI-Agenten war geweckt.
»Es ging um autobiographisches Schreiben.«
Es folgte ein langes Schweigen. Fordyce pfiff leise durch die Zähne. »Er hat also seine Lebensgeschichte aufgeschrieben?«
»Scheint so. Und zwar vor vier Monaten. Sechs Wochen später stieg er aus, verschwand und schloss sich dem Dschihad an.«
Fordyce’ Miene hellte sich auf, als er begriff.
»Seine Lebensgeschichte … Das könnte pures Gold sein. Wo befindet sich dieses Institut?«
»Santa Cruz, Kalifornien.«
»Lassen Sie mich da anrufen …«
»Warten Sie«, sagte Gideon. »Es ist besser, wenn wir hinfahren. Selbst auf der Matte stehen. Wenn Sie vorher anrufen, stechen Sie in ein Wespennest.
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