Gideon Crew 02 - Countdown - Jede Sekunde zählt
gerade das Freitagsgebet statt. Aus einer Laune heraus hielt er an, stieg aus und betrat die Moschee, wo er von den Muslimen sehr herzlich begrüßt wurde. Er erlebte eine intensive Bekehrung und trat auf der Stelle zum Islam über.«
»Was für eine Geschichte.«
Gideon nickte. »Er verschenkte seine Sachen und fing an, sehr asketisch zu leben. Er betete fünfmal am Tag. Aber er hat das sehr unauffällig getan, er ist niemandem damit auf die Nerven gegangen.«
»Welche Sachen hat er denn weggegeben?«
»Schicke Klamotten, Bücher, Alkohol, seine Stereoanlage, CDs und DVDs.«
»Waren irgendwelche anderen Veränderungen bemerkbar?«
»Die Bekehrung schien ihm sehr gutzutun. Er wurde zu einer integreren Persönlichkeit. War besser bei der Arbeit, konzentrierter, nicht mehr depressiv. Für mich war es eine Erleichterung – er hörte auf zu klammern. Er schien tatsächlich eine Art Sinn im Leben gefunden zu haben.«
»Hat er je versucht, Sie zu bekehren, Sie als Anhänger zu gewinnen?«
»Nie.«
»Gab es irgendwelche Probleme mit seiner Sicherheitsunbedenklichkeit, nachdem er Muslim geworden war?«
»Nein. Die Religionszugehörigkeit soll eigentlich nichts mit der Sicherheitsstufe zu tun haben. Er machte weiter wie bisher. Die höchste Einstufung hatte er ja sowieso schon verloren.«
»Gab es irgendwelche Anzeichen für eine Radikalisierung?«
»Nein, er war völlig unpolitisch, soweit ich das feststellen konnte. Kein Gerede über Unterdrückung, keine Hasstiraden gegen den Krieg im Irak und Afghanistan. Er scheute vor Kontroversen zurück.«
»Das ist typisch. Keine Aufmerksamkeit auf die eigenen Ansichten lenken.«
Gideon zuckte mit den Achseln. »Wenn Sie meinen.«
»Was ist mit seinem Verschwinden?«
»Das war sehr plötzlich. Er war einfach weg. Keiner wusste, wo er hin war.«
»Gab es vor diesem Zeitpunkt irgendwelche Veränderungen?«
»Nicht, soweit ich sehen konnte.«
»Er passt wirklich ins Muster«, murmelte Fordyce kopfschüttelnd. »Fast wie aus dem Lehrbuch.«
Sie fuhren über den Kamm von La Bajada, und dann lag Santa Fe vor ihnen ausgebreitet. Über der Stadt erhoben sich die Sangre de Cristo Mountains.
»Das ist es also?« Fordyce kniff die Augen zusammen. »Ich dachte, die Stadt wäre größer.«
»Sie ist bereits zu groß«, sagte Gideon. »Also, wie sieht unser nächster Schritt aus?«
»Erst mal einen dreifachen Espresso. Brühend heiß.«
Gideon erschauderte. Er war selbst eingefleischter Kaffeetrinker, aber Fordyce’ Konsum war beeindruckend. »Wenn Sie das Zeug weiter so hinunterkippen, brauchen Sie bald einen Katheter und einen Urinbeutel.«
»Nee, dann pinkle ich Ihnen einfach ans Bein«, erwiderte Fordyce.
15
A m Abend saßen sie im Collected-Works-Buchladen in der Galisteo Street, dem dritten Coffee Shop, nachdem Fordyce sich unaufhörlich über die miserable Qualität des Kaffees in Santa Fe beschwert hatte. Es war ein langer Nachmittag gewesen, und Gideon hatte den Überblick darüber verloren, mit wie vielen Espressos Fordyce seine Nieren belastet hatte.
Der FBI-Agent leerte eine weitere Tasse mit einem einzigen Schluck. »Gut, das war doch mal wenigstens Kaffee. Aber ich muss schon sagen, ich bin diesen Scheiß wirklich leid.« Verärgert knallte er die Tasse auf den Tisch. »In New Mexico ist es keinen Deut besser als in New York. Wir stehen Schlange, während fünfzig Ermittler vor uns sich in der Nase bohren. Die Ermittlung dauert jetzt schon vierundzwanzig Stunden, und was haben wir erreicht? Einen Scheißdreck. Konnten Sie einen Blick auf diese Moschee werfen?«
»Sie könnte kaum überlaufener sein, wenn bin Laden dort erschienen wäre, samt seinen zweiundsiebzig Jungfrauen von den Toten auferweckt.«
Ihre erste Station war ein Umweg zu Chalkers Moschee gewesen, für die ihnen noch keine offizielle Zugangsgenehmigung erteilt worden war. Der große goldene Kuppelbau war auf allen Seiten von Fahrzeugen diverser Sicherheitsbehörden umringt, zahllose Blaulichter blinkten. Der Antrag auf Zutritt, den sie gestellt hatten, war wie alle ihre Anträge im schwarzen Loch der Bürokratie verschwunden.
Nach dem Chaos in New York City beunruhigte es Gideon zutiefst, dass Santa Fe ebenfalls in Aufruhr war. Zwar herrschte hier nicht die gleiche blanke Panik wie in New York, doch es lag eine unabweisbare Atmosphäre drohenden Unheils über der Stadt.
Mit New York, das musste Gideon zugeben, war die Situation allerdings nicht zu vergleichen. Am Morgen waren sie nur
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