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Giebelschatten

Titel: Giebelschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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passende Antwort geben, als ein Grinsen über seine Züge huschte. »Das heißt«, fügte er schnell hinzu, »wenn du glaubst, daß ich dich einfach so gehen lasse, hast du dich getäuscht.«
    Gwen lächelte, »…meine Liebe«, äffte sie ihn nach.
    Beide kicherten, er nahm sie in den Arm und gab ihr einen Kuß.
    »Hast du keine Angst?« fragte er.
    Sie seufzte, ließ ihn los und fuhr sich besorgt mit einer Hand durchs Haar. »Sicher. Aber was kann er letztlich schon tun? Mich umbringen?«
    Martin gab keine Antwort. Statt dessen trat er an Gwens Schreibtisch, nahm eine Kerze und Streichhölzer aus der oberen Schublade und ließ beides in seine Tasche gleiten. Nach kurzem Zögern hob er auch ihren Brieföffner aus blitzendem Messing auf und steckte ihn ein.
    »Für alle Fälle«, meinte er dumpf.
    Sie nickte, dann wandte sie sich zur Tür. Mit wenigen Schritten war er neben ihr.
    »Und denk daran«, erinnerte er sie, »sieh dich nur um und nimm auf gar keinen Fall irgend etwas mit. Wenn Christopher merkt, daß etwas aus seinem Zimmer fehlt, wird er sofort Verdacht schöpfen.«
    Sie verließen ihr Zimmer und gingen durch den Korridor zum Treppenhaus.
    »Weißt du, wo er jetzt ist?« fragte sie.
    Martin schüttelte den Kopf. »Er ist schon die ganzen letzten Stunden verschwunden. Vielleicht treibt er sich in der Stadt herum.«
    Sie atmete tief ein. »Sehr beruhigend.«
    Dort, wo der Flur ins Treppenhaus mündete, blieben sie stehen. Martin griff nach ihrer Hand, legte den Brieföffner hinein und schloß ihre Finger um den Metallgriff. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber sie kam ihm zuvor.
    »Für den Notfall, ich weiß…« meinte sie und bemühte sich um ein Lächeln. Es schien ihr einigermaßen zu gelingen, denn der Druck von Martins Hand um ihre Finger lockerte sich. Schließlich ließ er sie ganz los.
    »Von hier aus kann ich hören, wenn er hochkommt. Sollen wir irgendein Zeichen ausmachen?«
    Plötzlich mußte sie grinsen. »Vielleicht den Ruf eines Käuzchens – das wäre unauffällig.«
    Er küßte sie, dann hob er eine Hand und streichelte ihr Haar. »Ich werde einfach hochlaufen und dir Bescheid sagen. Wenn ich ihn früh genug bemerke, dürfte das kein Problem sein.«
    Sie nickte, lächelte ihm aufmunternd zu und wandte sich dann um. Ohne ein weiteres Mal zurückzuschauen stieg sie die Treppe hinauf.
     
    Christophers Zimmer lag in einem Korridor, der im rechten Winkel von jenem abzweigte, der zu Martins Schlafraum führte. Gwen fror, als sie ihre Hand auf die Türklinke legte. Das Metall fühlte sich kalt an, trotzdem war ihre Handfläche feucht vor Aufregung.
    Was würde Christopher tun, wenn er sie in ihrem Zimmer erwischte? Sie sah wieder das Bild des brennenden Raumes vor sich, die Gestalt, die wie ein wahnsinniger Feuerteufel um die Flammen tanzte, und sie schauderte.
    Vorsichtig drückte sie die Klinke nach unten und war überrascht, als sie die Tür unverschlossen vorfand. Drinnen war es dunkel; den blassen Schimmer, der vom schwindenden Tageslicht übriggeblieben war, schirmten die Vorhänge ab, die Christopher vor seinem Fenster zugezogen hatte. Ihr scharlachfarbener Stoff tauchte das Zimmer in dunkelrotes Halblicht.
    Ein letztes Mal sah sie sich auf dem leeren Korridor um, dann huschte sie durch den schmalen Türspalt ins Innere. Sie hatte geglaubt, sie würde sich dabei wie eine Einbrecherin fühlen, doch jetzt wußte sie, daß ihre Entscheidung richtig gewesen war. Sie mußten etwas gegen Christopher unternehmen, sonst mochte der Himmel wissen, was noch geschehen würde.
    Gwen schloß die Tür hinter sich, und der trübe Lichtschein, der rot durch die Vorhänge sickerte, umhüllte auch sie wie ein Mantel aus Blut. Für einen Augenblick schlugen Wellen aus Panik über ihr zusammen, sie spürte, wie ihre Knie weich wurden und ihre Finger zitterten. Plötzlich hatte sie das dringende Bedürfnis, ihre Blase zu leeren.
    Aber das Gefühl verging so schnell wie es gekommen war, ihre Glieder gehorchten wieder ihrem Willen und das rasende Hämmern ihres Herzens ebbte langsam ab. Zurück blieb ein pochender, dumpfer Rhythmus in den Ohren, der sie beständig an die Gefahr erinnerte, in der sie schwebte.
    Sekundenlang sah sie sich um und erkannte nichts außer Formen und Schatten in verschiedenen Abstufungen von Rot. Erst als sich ihre Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, bemerkte sie Christophers Bett und Schreibtisch, seinen Schrank und ein Regal, auf dem zahlreiche Dinge und

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