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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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die 9mm-Kugeln in einem flachen Winkel die Wand streiften und in die hinteren Bereiche des Hauses gelenkt wurden. Dabei hielt er die Augen geschlossen, vermied so das Mündungsfeuer, das zeitweilige Blindheit hervorrufen konnte.
    Es war nichts weiter als Verzögerungstaktik, aber sie würde Sugarfoot auf Distanz halten und Wyatt Zeit zum Nachdenken geben. Diesmal würde er nicht auf Warten spielen. Er schlich zum Fenster. Die leichten Baumwollvorhänge waren zugezogen. Er teilte sie, drehte am Fensterriegel, schob das untere Fenster hoch und kletterte hinaus.
    Er ließ das Fenster weit offen, duckte sich auf der vorderen Veranda, schaute ins Zimmer zurück. Die Party in der Nachbarschaft war inzwischen sehr laut, ein beständiges Wummern von Basstönen und rüden Rufen. Sugarfoot würde bemerken, daß die Geräusche angewachsen waren, sich zusammenreimen, daß Wyatt aus dem Fenster geflüchtet war und kommen, um sich davon zu überzeugen.
    Wyatt lauerte, horchte, der lange Lauf der Browning ruhte auf dem Fensterbrett, gerichtet auf die Schlafzimmertür. Mehrere Minuten vergingen. Plötzlich flog etwas – ein Schuh – über die Schwelle. Wyatt beachtete ihn nicht. Sugarfoot versuchte, sein Ziel zu suchen, vermutete ihn genau da, wo vorher Wyatts Mündungsfeuer aufblitzt war. Dann, fast gleichzeitig, tauchten die Umrisse einer Gestalt im Türrahmen auf.
    Wyatt schloß wieder die Augen, gab drei Schüsse ab. Er feuerte nicht blind, er hatte Sugarfoots Bild aufgenommen, gebückt, in Schußhaltung, die Waffe mit beiden Händen umklammert. Wyatt vertraute den schnellen Schüssen, er wußte, daß sein Instinkt ihn genau zielen ließ, er wußte auch, daß sein Sinn für Wahrnehmung und Gesichtsfeld verlorengehen würde, wenn er zu lange auf sein Ziel schaute.
    Er hörte, wie seine Schüsse trafen. Er sah, wie Arme hochgerissen wurden, die Waffe fiel, der Körper drehte sich und sank zusammen.
    Er sah außerdem, daß es nicht Sugarfoot Younger war.

Einundvierzig
    Wyatt schlich zurück ins Haus. Er verharrte eine Minute lang, schaute auf den zusammengesunkenden Körper auf dem Boden. Die Pistole des Mannes lag daneben, eine .22er, die Waffe eines Profis. Das erklärte den Überfall auf Ivan Younger, und die Folter an Hobba – das hatte Wyatt stutzig gemacht, es war zu fachmännisch ausgeführt, um von Sugarfoot zu stammen. Wer also war dieser Kerl?
    Beruhigt, daß der Mann keine Anstalten machte, nach der Waffe zu greifen, kam Wyatt näher und hockte sich neben ihn.
    »Ich brauche einen Arzt«, sagte der Mann.
    Wyatt lehnte ihn gegen den Türrahmen und lockerte Gürtel und Kragen. Er durchsuchte die Taschen des Mannes. Er hatte keinen Ausweis bei sich. Wyatt sah ihm ins Gesicht. Es war schmal, hager, das Haar streichholzkurz. Der Körper schlank, drahtig, sah nach regelmäßigem Fitnesstraining aus. Der Akzent war ungewöhnlich. Südafrika, vermutete Wyatt.
    Der Mann hustete. Sein Mund füllte sich mit Blut. Eine Kugel saß in seinen Lungen, gab seiner Stimme und seinem Atem eine schaumige, pfeifende, wäßrige Beschaffenheit.
    »Mein Arm«, sagte er.
    Der linke Ellenbogen war zerschmettert. Wyatt wickelte ein Taschentuch um die Finger der rechten Hand des Mannes und drückte sie auf das hervorquellende Blut.
    Der Mann wurde kurz bewußtlos, kam dann wieder zu sich. »Du bist Wyatt. Hobba hat dich beschrieben. Ich bin Bauer«, sagte er, als wäre jede weitere Erklärung überflüssig.
    »Ich habe noch nie von dir gehört«, sagte Wyatt. »Für wen arbeitest du? Die Youngers? Hast du dich gegen sie gestellt?«
    Bauer verzog angestrengt das Gesicht, Blut floß aus seinem Mund, und er sagte: »Die Youngers spielen keine Rolle.«
    »Finn?«
    »Finn auch nicht. Er ist tot.«
    Wyatt sah, wie sich Bauers Gesicht vor Schmerz verkrampfte. »Weil er das Geld verloren hat? Bist du ins Spiel gebracht worden, um es zurückzubringen?«
    Bauer antwortete nicht, sondern erschlaffte und kippte auf die Seite. Wyatt zwang ihn in die aufrechte Position. »Hör zu. Wenn du einen Arzt möchtest, beantworte mir ein paar Fragen.«
    Bauer hustete. »Du hast dir den falschen Safe ausgesucht, mein Freund. Du hast dir ein paar mächtige Feinde gemacht. Gib’s zurück.« Dann schloß er die Augen. Sein Gesicht war grau geworden, Blut lief aus seinem schlaffen Mund.
    Wyatt sagte »Finn hat nicht allein gearbeitet, ist es das, was du mir damit sagen willst?«
    »Gib’s zurück«, sagte Bauer.
    Wyatt lehnte sich zurück, überdachte das Problem, aber

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