Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
wie sieht die aus?«
»Bevor wir Ihnen das sagen …«, begann Kühne.
»… müssen wir uns Ihrer Verschwiegenheit sicher sein«, vollendete Becker, der bisher noch keinen Ton von sich gegeben hatte. Sein düsterer Gesichtsausdruck hatte sich gelöst. Mit viel Wohlwollen war sogar der Hauch eines Lächelns zu erkennen. »Alles, was heute innerhalb dieser vier Wände besprochen wird, bleibt vorerst unter uns. Verstehen wir uns richtig? Weder Ihr Referent noch Ihre Sekretärin dürfen etwas davon erfahren. Nicht einmal Ihre Frau!«
»Aber für diese Personen lege ich meine Hand ins Feuer!«
»Das glauben wir Ihnen gerne, trotzdem …«
»Jetzt übertreiben Sie aber.«
»Nein, wir sprechen aus Erfahrung.« Kühne lehnte sich in seinem Sessel vor. »Dossantos ist ein gerissener Hund und der Teufel ein Eichhörnchen.«
Niemand lachte. Von Hirschfeldt zögerte. Worauf wartete er noch? Wenn es ihm gelang, direkt zum Auftakt seiner Amtszeit einen so dicken Fisch wie Dossantos aus dem kriminellen Meer der Hauptstadt zu fischen, stieg sein Ansehen nicht nur bei den Wählern und Bürgern. »Also gut. Erzählen Sie!«
66
Noch vor der Spurensicherung, die er unterwegs verständigt hatte, traf Kalkbrenner in Treptow ein. Judith erwartete ihn schon an der Tür. Bevor er sich’s versah, lag sie in seinen Armen. Ihr Körper zitterte unkontrolliert.
Da die alte Dame im Haus gegenüber wieder am Fenster hing, führte er Judith behutsam zurück ins Haus. Er bettete sie auf die Couch, doch sie wollte ihn nicht loslassen. Zitterte weiter. Er legte seine Hand auf ihre Schulter. »Soll ich dir vielleicht einen Arzt rufen?«
Ihre Hände gruben sich in seine Jacke. »Und dann?«
»Er könnte dir eine Beruhigungsspritze geben.«
»Nein, Paul«, presste sie angeekelt hervor. »Ich hasse Spritzen. Weißt du das nicht mehr?«
Vorwurfsvoll schaute sie zu ihm auf. Erst jetzt bemerkte er das mit Tränen vermischte Blut auf ihrer Wange. Er unterzog die Wunde einer schnellen Untersuchung.
»Ist es schlimm?«
Er eilte in die Küche, nahm etwas Haushaltspapier, befeuchtete es mit Wasser und kehrte zurück. Er setzte sich neben sie und säuberte vorsichtig ihre Wange. »Nur eine Schürfwunde. Keine Sorge.«
Sie hob die Hand, berührte seine Schläfe. »Mit wem bist du denn zusammengeraten?«
»Nur ein kleiner Unfall.« Er winkte achtlos ab. »Sag du mir lieber, was hier passiert ist.«
»Ich war …«, sie verschluckte sich vor Aufregung, »ich war einkaufen. Eine halbe Stunde vielleicht. Vielleicht auch ein bisschen länger. Als ich wiederkam … stand die Tür offen.«
»Trotzdem bist du in die Wohnung gegangen?«
»Seit Dienstag, seit …« Sie schloss die Augen, als könnte sie so die Erinnerung ausklammern. Wieder rannen Tränen ihre Wangen hinab. »Manchmal stehe ich neben mir. Ich dachte, dass ich einfach vergessen hätte abzuschließen.«
»Hast du aber nicht, oder?«
Sie schüttelte verneinend den Kopf. »Da waren diese beiden Männer in der Wohnung.«
»Hast du sie erkannt?«
»Sie trugen Mützen und Handschuhe. Es ging alles so schnell. Einer packte mich, der andere schrie mich an. Er hat was von einem Computer gesagt. Ich habe ihn nicht gleich verstanden. Dann schlug er mich.« Ein Schauer lief durch ihren Körper, und sie sank wieder gegen ihn. Der Kopf lehnte an seiner Schulter. »Ich hatte solche Angst.«
»Und dann?«
»Dann haben sie meinen Laptop genommen und sind verschwunden.« Sie flüsterte jetzt, weniger verzweifelt, mehr fassungslos. »Die haben
dieses
alte Teil geklaut.«
Er stand auf und schritt ein Zimmer nach dem anderen ab. Die Einbrecher hatten ihre Suche auf das Wohnzimmer und das Arbeitszimmer von Judiths Mann beschränkt. Dort hatten sie allerdings ganze Arbeit geleistet: Schränke standen offen, der Inhalt der Schubladen war zerwühlt worden, sogar einige Bücherregale hingen lose in ihren Wandverankerungen.
Wie ein Häufchen Elend hockte Judith auf der Couch im Wohnzimmer, die Beine an den Leib gezogen, die Arme fest darumgeschlungen. Vor dem Sekretär am Fenster lag ihr pinkfarbenes Handy am Boden, in alle Einzelteile zerlegt. »Offenbar haben die Einbrecher den Laptop deines Mannes gesucht.«
»Aber da sind doch nur Schulsachen drauf, ein paar Fotos, ein bisschen Musik, Briefe, privater Kram … Wer sollte sich dafür interessieren?«
»Bist du dir da sicher? Immerhin hattest du keinen Zugriff mehr auf seinen Rechner.«
Bestürzt sah Judith ihn an. Die Sexseiten, von denen Rita
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