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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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erinnern?«
    Kasprowicz strahlte übers ganze Gesicht. Bestimmt war es das erste Mal, dass er der Polizei half und nicht irgendwelcher Straftaten verdächtigt wurde. »Klar, der Mann war ganz aufgeregt. Also nicht, dass ich ihn deswegen in Erinnerung behalten hätte. Ich fahre oft solche Kunden.«
    »Welche Kunden?«
    »Na, Freier. Die sind immer ganz aufgeregt, gerade die, die noch nicht so oft im Puff waren.«
    »Und so was merken Sie?«
    »Jesses, natürlich … Wenn Sie die ganze Nacht durch die Stadt fahren, kriegen Sie alle möglichen Typen zu Gesicht. Da werden Sie ein Menschenkenner. Es fällt Ihnen sofort auf, wie die ticken.«
    »Und bei dem Lehrer ist Ihnen auch was aufgefallen?«
    »Ja, das sagte ich doch. Der war ganz aufgeregt. Also nicht wirklich richtig. Nicht während der Fahrt. Da war er ganz normal. Aber als ich ihn dann abgesetzt habe, da verhielt er sich merkwürdig. Er wollte unbedingt, dass ich vor der Tür warte. Ich dachte mir, klar, es ist sein erstes Mal, der hat die Hosen voll und will ganz schnell wieder weg, falls es ihm nicht gefällt.« Kasprowicz nickte wie zur Bestätigung des Gesagten. »Als ob es den Männern da drinnen nicht gefallen würde? Ich sage ihm noch:
Jesses, Mann. Nutzen Sie die Zeit.
Doch er wollte, dass ich warte.«
    »Haben Sie gewartet?«
    »Nee, der ist rein in das Studio, und es dauerte. Fünf Minuten. Oder zehn. Ich weiß nicht. Dann kam ein anderer Kunde, den ich gefahren hab. Wahrscheinlich hätte ich den Lehrer vergessen, wenn ich nicht zwei Tage später in der Zeitung über ihn gelesen hätte. Ich sage noch zu meiner Frau:
Jesses, jetzt hat er wenigstens eine tolle Nacht gehabt, bevor ihn die Schüler über den Haufen geschossen haben.
«
    »Wohin haben Sie ihn gefahren?«
    »Kann ich Ihnen zeigen.«
    »Na dann …«
    »Aber ich lass die Uhr laufen.«
    »Ist okay.«
    Kasprowicz fuhr Kalkbrenner vom Alexanderplatz über die Straße des 17. Juni in den Westteil der Stadt. An der Siegessäule, wo die Goldelse mit Lorbeerkranz und Feldzeichen angestrahlt in den wolkigen Nachthimmel stach, bog er nach Charlottenburg ab. In den Cafés und Kneipen herrschte Hochbetrieb. Obwohl sich wahrscheinlich die wenigsten dabei an den ursprünglichen Anlass erinnerten, nutzten die Nachtschwärmer den morgigen Feiertag zum ausgiebigen Zechen.
    An der Kantstraße hielt Kasprowicz nach wenigen Metern vor einem Mehrfamilienhaus. Vier Etagen, Balkone, rauer Putz, der Charme der 60er. Westberlin. Es gab zwei Eingänge. Der eine war die normale Haustür für die Mieter, über dem anderen flackerte eine Leuchtreklame:
Dark Heaven.
Das Neonlicht in einer schwarz verhängten Scheibe versprach:
Open.
    Der ermordete Lehrer war also in einem Bordell gewesen. Nicht wirklich überraschend nach allem, was sie bisher über ihn herausgefunden hatten.
    »Soll ich auch auf Sie warten?«, fragte der Pole, als Kalkbrenner die Fahrt bezahlte.
    »Danke, nein.«
    Kalkbrenner wollte die Wagentür schon zuwerfen, beugte sich aber noch mal zum Fahrer vor. »Ach so, und wegen der Sache mit Ihrer Frau: Beherrschen Sie sich zukünftig ein bisschen besser.«
    Er erklomm die drei Stufen hinauf zum Eingang. Die Tür war verriegelt. Kalkbrenner war noch nicht in vielen Puffs gewesen, und wenn, dann stets als Polizist im Einsatz. Aber ein Bordell, dessen Tür verschlossen war, obwohl ein Schild im Fenster das Gegenteil behauptete, machte ihn stutzig.
    Er drückte die Klingel neben der Tür. Nichts passierte. Passanten schlenderten vorbei, schenkten ihm keinerlei Beachtung. In Charlottenburg gehörten Bordelle und Sexclubs ebenso wie die Straßenhuren zum Alltag, Gleiches galt für deren zahlreiche Freier.
    Plötzlich sprang die Tür mit einem Summen zu einem schmalen, schmucklosen Vorraum auf. Zwei breitschultrige Türsteher versperrten drinnen einen weiteren, wenig vielversprechend wirkenden Eingang. Eine dralle Blondine, die sich in ein aufreizendes Ledermieder gepresst hatte, hockte hinter einem Tisch. Die Atmosphäre in dem engen Vorzimmer war so erotisch wie in Dr. Wittpfuhls Leichenkammer. Auch das kam Kalkbrenner merkwürdig vor.
    »Der Eintritt kostet 45 Euro«, lispelte die Blondine.
    Kalkbrenner klappte der Kiefer hinunter. 45 Euro für diese miese Spelunke?
Vermutlich gibt es dazu einen Fick gratis.
Was in Gottes Namen hatte der ermordete Brodbeck in diesem Sexdiscounter zu suchen gehabt?
    Kalkbrenner hielt bereits in seiner Tasche den Dienstausweis in der Hand. Doch einem unbestimmten Impuls folgend

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