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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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den kleinen Rosen und hatte die Augen geschlossen, als würde sie schlafen. Die Armada von surrenden und piependen Instrumenten, die um ihr Krankenbett drapiert war, ließ daran jedoch erhebliche Zweifel.
    Die Überwachungsmonitore registrierten ihren Blutdruck, die Temperatur und andere Werte, die Kalkbrenner nicht verstand. Ein anderer Bildschirm dagegen war ihm schon oft während seiner Arbeit untergekommen: Ein gleichförmig grüner Zickzackstreifen zog sich über den Monitor – die Herzstromkurve seiner Mutter.
    Der karge Raum im Pflegeheim war schon schlimm gewesen, aber das hier war entsetzlich. Am liebsten hätte Kalkbrenner kehrtgemacht und wäre wieder raus auf den Flur gerannt, aus dem Krankenhaus hinaus, weg, nur irgendwohin.
Von mir aus zurück in die Datsche.
Das Problem mit Jessy war zu lösen. Aber der Anblick seiner Mutter ließ eine Endgültigkeit erahnen.
    Von der Tür hörte er ein Räuspern. Ein Mann mit grauen Haaren, dichtem Vollbart und dunklen Augenringen, die von einem langen Dienst zeugten, stellte sich als Stationsarzt Dr. Pliska vor. »Es tut mir leid«, sagte er. Als würde das etwas an ihrer Situation ändern.
    »Was ist passiert? Sie war doch nur erkältet.«
    »Ihre Mutter hatte eine Lungenentzündung. Die hat ihren ohnehin schon geschwächten Körper zu stark strapaziert. Wir können von Glück reden, dass sie der Herzinfarkt im Pflegeheim ereilt hat. So war schnelle Hilfe vor Ort.«
    »Und was wird mit ihr?«
    »Das wissen wir nicht.«
    »Sie wissen es nicht?«
    »Bei Ihrer Mutter kommen zu dem Herzinfarkt noch eine Lungenstauung und eine Niereninsuffizienz hinzu.« Pliska unterdrückte ein Gähnen. »Das ist normal bei älteren Infarktpatienten und sollte eigentlich zu keinerlei Komplikationen führen.«
    »Eigentlich?«
    »Voraussetzung ist, dass der Patient in guter körperlicher Verfassung ist. Aber die Konstitution Ihrer Mutter ist, wie ich schon sagte … Ich weiß nicht, ob sie es von alleine schafft. Vielleicht müssen wir sie noch operieren. Aber ob das hilft …«
    Kalkbrenner griff nach der Bettdecke, vorsichtig, als könnte eine zu rasche Bewegung den dünnen Leib darunter zerbrechen. Er suchte die Hand seiner Mutter. Eine Kanüle bohrte sich in ihre Haut, die runzelig, voller Flecken und furchtbar dünn war. Er umschloss die Finger mit den seinen. Ihre waren wie kleine, dürre Stängel, in denen kaum noch Kraft steckte.
    Vielleicht ist es besser so.
    Aber das klang fast, als würde er seiner Mutter den Tod wünschen. Er schämte sich für den Gedanken.
    »Wir haben da noch eine Bitte«, sagte der Arzt. »Können Sie Ihrer Mutter Kleider und Unterwäsche zum Wechseln bringen? Wir haben nur das Nachthemd, mit dem sie eingeliefert wurde. Und, na ja, als es passierte, hatte Ihre Mutter die Körperfunktionen nicht mehr unter …«
    Kalkbrenner wollte keine weiteren Details hören. »Natürlich, kein Problem.«
    Auf dem Weg zum Pflegeheim versuchte er Berger anzurufen. Doch dessen Mailbox verkündete, dass der Teilnehmer vorübergehend nicht erreichbar sei. Hoffentlich war sein Kollege nicht krankgeschrieben.
In der augenblicklichen Situation wäre das verheerend!
    Kalkbrenner legte sein Motorola beiseite und schaltete das Radio ein. Techno wummerte aus den Lautsprechern. Diesmal wühlte der schnelle Rhythmus sein Gemüt zu sehr auf, und er zappte so lange weiter, bis er bei einem Oldiesender landete. Jemand sang von
Moments to remember.
Er würgte ihn ab. Wieder Stille. Der Regen prasselte auf das Autodach. Aus den übervollen Kanälen floss das Wasser zurück auf die Straße.
    An der Ampel zur Wiener Straße erkannte er im Laternenlicht die Ausläufer des Görlitzer Parks. Ob Jessy inzwischen wieder zu Hause war? Gerne wäre er abgebogen und zu ihr gefahren, um ihr zu erzählen, was mit seiner Mutter geschehen war. Aber es gab zurzeit nicht nur Wichtigeres zu erledigen, es erschien ihm auch keine gute Idee. Also fuhr er weiter geradeaus.
    Im St.-Antonius-Stift empfing ihn Pfleger Peer. »Es tut mir leid, was passiert ist. Aber dagegen kann man nichts machen. Manchmal ist es …«
    Kalkbrenner lief an ihm vorbei zu Käthe Marias Zimmer. Der Duft von
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hing noch im Raum. Seine Mutter hatte das Parfüm geliebt. Kalkbrenner hatte es nie gestört, aber er war auch nicht in Begeisterungsstürme ausgebrochen. Jetzt hasste er diese übertriebene Süße, weil sie der Geruch von Alter war. Von Krankheit. Und von Tod.
    Er atmete durch den Mund, als er zielstrebig zum

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