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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Anstrengung. Er keuchte und beschleunigte noch einmal seine Schritte.
    Unvermittelt fand er sich auf der Lichtung wieder. Der Mond beschien die freie Fläche, um die sich die Bäume gruppierten, wie imaginäre geheimnisvolle Beobachter. Die Tür des Passat stand nach wie vor offen. Er starrte das Motorola an, dessen Display auf dem Beifahrersitz hell aufleuchtete. Er hatte sein eigenes Handy nicht erkannt.
    »Ja?«
    »Paul!«, schrie Rita ihm ins Ohr. »Wir haben ihn! Den Mörder.«

136
    Es ging sehr schnell, war aber dennoch schmerzhaft. Sie zogen ihm nicht einmal die blutigen Klamotten aus, sondern warfen ihn einfach auf den Rücksitz eines Wagens. Er konnte sich nicht wehren. Seine Hände waren ihm auf den Rücken gefesselt, seine Beine aneinandergebunden.
    Die Seile an den Füßen verhakten sich mit den Halterungen der Vordersitze. Jetzt konnte er sich nicht einmal mehr bewegen. Die gekrümmte Haltung, in der er auf der Rückbank kauerte, war alles andere als bequem. Aber auch darüber verlor er kein Wort. Es war nicht anzunehmen, dass man ihn von seinen Fesseln befreite.
    Inzwischen hatten sie es anscheinend nicht mehr so eilig. Der Wagen schlich buchstäblich über die Autobahn. Er hatte keine Ahnung, wohin die Fahrt führte. Niemand hatte es ihm gesagt. Es war schon eine ganze Weile her, seit sie die Avus und Berlin verlassen hatten. Städte zogen an ihnen vorbei. Leipzig. Erfurt. Kassel. Nürnberg. Immer weiter nach Süden. Wie seltsam. Warum?
    Einer der beiden Männer las eine Zeitung. Anders als sein Partner, der den Wagen steuerte, war er glatzköpfig. Schmatzend kaute er einen Kaugummi, als wollte er mit der mahlenden Bewegung der Kiefer seine Muskeln weiter trainieren. Vielleicht pumpte er aber auch nur sein Mutantenhirn auf.
Mutanten.
Das war gut.
    Dann entdeckte er die Schlagzeile.
Prostituierte ermordet
. Er war nicht wirklich überrascht. Dennoch sagte er: »Das ist nicht wahr!«
    Die Glatze drehte sich zu ihm um. »Hä?«
    Er hätte ihr gerne die kaugummikauenden Zähne ausgeschlagen.
    »Hast du was gesagt?«
    Er blickte aus dem Fenster.
    Glatze verpasste ihm eine Ohrfeige. »Ich hab aber was gehört.«
    Er zwang sich zum Schweigen.
    Glatze streckte ihm die Faust entgegen. »Verscheißer mich bloß nicht.«
    »Lass ihn«, zischte der Fahrer. Ihm wollte er übrigens die Nase zertrümmern.
    »Ist ja gut«, knurrte Glatze.
    »Schnall dich lieber wieder an.«
    »Ich mag den Sicherheitsgurt aber nicht.«
    »Verdammt, leg ihn an.«
    Glatze gab ein Knurren von sich, dachte aber gar nicht daran, sich anzuschnallen. Stattdessen konzentrierte er sich wieder auf die Zeitung.
    Aus dem Aufmacher konnte man schließen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Mord an der Prostituierten und dem Anschlag auf Samuel Dossantos gab. Beides Auseinandersetzungen im Rotlichtmilieu.
    Wie immer war das nicht die Wahrheit. Sie hatten es also geschafft, den Mord zu vertuschen. Vielleicht würden sie ihn deshalb umbringen. An einem Baggersee abladen, ersäufen und versenken. Aber nein, das würden sie jetzt nicht mehr tun. Das hätten sie auch in Berlin erledigen können. Sie entfernten sich immer weiter von der Hauptstadt. Weiß der Teufel, was sie sich ausgedacht hatten. Aber er wusste immerhin, warum sie es taten: weil der Name Hönig sauber bleiben musste. Der Ruf gerettet. Die Welt heil.
    Wie immer war alles nur eine Lüge.

137
    Kalkbrenner fuhr zur Adresse, die Rita ihm durchgegeben hatte. Sie lag einen Block vom Ku’damm entfernt. Seit am Kanzleramt der neue Hauptbahnhof Berlin eröffnet und der Bahnhof Zoo für den Fernreiseverkehr geschlossen worden war, klagten die dort beheimateten Geschäftsleute über ausbleibende Touristen und geringe Umsätze.
    Die Mieten am Ku’damm unterdessen waren nach wie vor unerschwinglich hoch. Selbst die Eigentumswohnungen gehörten zu den teuersten der Stadt. Was im Wesentlichen den prunkvollen historischen Bauten geschuldet war, den wenigen, die man in Berlin noch erhalten hatte.
    Die Polizei riegelte eins der sechsgeschossigen Gründerzeitensembles ab. Die Fassade war mit reichem Außenstuck versehen, ausladenden Simsen, hohen Fenstern. Auf der Straße vor dem Haus war gerade eine Kehrmaschine der Städtischen Reinigungsbetriebe zugange. Im Vergleich zu den Problemkiezen, den schäbigen Häusern und ihren heruntergekommenen Hinterhöfen war Charlottenburg nicht nur ein anderer Stadtteil, es war eine andere Stadt.
    Kalkbrenner tätschelte Bernie, der auf der Rückbank hockte, zum

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