Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
uns …«
»… nichts bringen«, unterbrach Kalkbrenner. »Block ist Dossantos’ Buchhalter. Der Portugiese wird bei ihm ein und aus gegangen sein. Es dürfte also schwierig werden, aus den Spuren eine direkte Tatbeteiligung abzuleiten.« Kalkbrenner sah die Kriminaltechnikerin an. »Oder?«
»Stimmt«, bestätigte sie mit einem bedauernden Nicken. »Wenn es nicht Spuren sind, die direkt auf eine Straftat hinweisen, können sie jederzeit entstanden sein. Heute. Gestern. Vor zwei Wochen.«
Kalkbrenner sah noch einmal zu der baumelnden Leiche hinüber.
Spiel mir das Lied vom Tod.
Falls Dossantos hinter Blocks Tod steckte, dann hatte er dabei mörderischen Zynismus bewiesen. »Höchstwahrscheinlich hat der Portugiese ihn nicht einmal aktiv umgebracht. Er hat ihm einfach keine andere Wahl gelassen. Block beging Selbstmord. Das dürfte es noch einmal schwieriger machen, Dossantos’ Mitwirken am Tod Blocks zu beweisen.«
»Du hast recht.« Berger rieb sich den Bart. »Aber wie ich schon sagte, es gibt mehrere Sachen, die mich zweifeln lassen. Da ist nämlich noch etwas …« Er dehnte seine Worte. »Davon habe ich dir noch nicht erzählt.«
Dr. Franziska Bodde wandte sich um und guckte aus einem der hohen Fenster, als gäbe es da draußen über den Dächern von Berlin plötzlich etwas außerordentlich Wichtiges zu bestaunen.
»Was denn?«
Berger winkte ihn ans Fenster, ein Stück von den Beamten der Spurensicherung weg. Franziska Bodde blieb zurück.
»Paul«, sagte Berger leise, und seine Finger spielten mit einigen Streifen Papier. Jemand hatte sie von der
Financial Times
abgerissen, die auf dem Fensterbrett lag. »Wir haben etliche Hinweise darauf, dass sich auch Judith Brodbeck, die Witwe des Lehrers, in Blocks Wohnung aufgehalten hat.« Eine Pause entstand. Bergers Barthaare sträubten sich. »Kannst du mir dazu etwas sagen?«
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Kalkbrenner schwieg, obwohl er antworten wollte.
Ja, es gab eine pikante Liebschaft mit Brodbecks Witwe.
Mit Block? Oder mit ihm, Kalkbrenner?
Mein Gott, also hat die Frau auch Sie um den Finger gewickelt?
Kalkbrenner fragte: »Das ist kein Zufall, oder?«
»Du meinst, da will uns jemand auf eine falsche Fährte schicken, so wie bei den anderen Morden?«
»Ja.«
»Nein.« Bergers Stimme war bestimmt. »Zusätzlich zu den Hinweisen haben wir Fingerabdrücke in dem Apartment gefunden. Und zwar in einer Häufigkeit, so dass wir mit Bestimmtheit sagen können:
Das
ist nicht getürkt. Dr. Franziska Bodde hat alles schon durch die Datenbank schicken lassen, bevor du eingetroffen bist. Sie konnten einer gewissen Judith Caro Kargelsdorf zugeordnet werden. Das ist der Mädchenname von Frau Brodbeck. Unter ihm ist sie vor einigen Jahren bei den Kollegen vom Rotlicht-Dezernat aktenkundig geworden.«
Kalkbrenner holte tief Luft. Noch ehe er etwas sagen konnte, läutete sein Handy. Er holte es aus der Tasche und sah, dass es Ellen war.
Ausgerechnet jetzt!
Denkbar ungünstig.
Er drückte das Gespräch weg und blickte wieder Dr. Franziska Bodde an. »Haben wir nicht schon Spuren von Frau Brodbeck in ihrer Wohnung aufgenommen, nach dem Einbruch am Montag? Hätte uns da nicht …?!«
»Sie wollten schnelle Ergebnisse, Herr Kalkbrenner«, unterbrach ihn die Kriminaltechnikerin. »Wir standen unter Zeitdruck. Also haben wir Frau Brodbeck bei der Überprüfung außen vor gelassen, so wie Sie es wünschten.«
»Aha«, machte Berger und schwieg für Sekunden. Nur die Geräusche der Spurensicherung im Apartment waren zu hören. Ein Fotoapparat löste aus, das Blitzlicht erhellte die Häuserfassaden auf der anderen Straßenseite. Berger hustete. »Paul, wusstest du am Montag schon, dass Judith Brodbeck selbst mal als Hure angeschafft hat?«
»Sie hat als Domina in einem SM-Club gearbeitet«, sagte Kalkbrenner. »Das ist ein Unterschied.«
Berger grunzte ungläubig. »Wie lange weißt du schon davon?«
»Seit heute Morgen.«
»Hat Frau Brodbeck es dir gesagt?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
Plötzlich hatte Kalkbrenner das Gefühl, verhört zu werden. Als würde er selbst vernommen werden.
Weil er nichts sagte, stellte Berger fest: »Sie hat dich also belogen!«
»Sie hat mich nicht belogen. Sie hat mir nur nichts über ihre Vergangenheit gesagt.«
»Das läuft aufs Gleiche hinaus.«
Geschlagen mit den eigenen Worten.
Berger sah ihn milde an. »Paul, so leid es mir tut, aber du betrachtest den Fall nicht mehr objektiv!«
Eine Aussage, so schlicht wie wahr.
»Was hast du noch
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