Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
Vom Netzwerk:
Abschied und lief zum Hauseingang. Er überflog die Klingelschilder, las lauter unbekannte Namen, bis auf einen:
D. Block.
Sein Magen verkrampfte sich.
    »Herr Kalkbrenner«, hörte er eine vertraute Stimme neben sich.
    Er drehte sich zu Dr. Franziska Bodde um. »Guten Abend.«
    »Na ja, der Abend könnte besser sein.«
    Über Marmorfliesen, die ein Schachbrettmuster bildeten, gelangten sie zu einem Fahrstuhl. Die Türen glitten hinter ihnen zu. Kalkbrenner erschrak über die Gestalt, die ihn in der verspiegelten Kabine anstarrte. Es waren nicht einmal die Blutflecken auf der Hose oder die zerschundenen Hände. Es war sein Gesicht, das ihn entsetzte. Die Augen lagen gehetzt in dunklen Höhlen, das Haar fiel ihm ungekämmt und strähnig ins Gesicht. Die Schultern hingen erschöpft herab. Oder sprach aus seinem Aussehen eher Enttäuschung? Hastig schaute er die Kriminaltechnikerin an.
    Franziska Bodde lehnte an der Kabinenwand und kaute gedankenverloren auf ihrer Unterlippe herum. In ihren Sportschuhen, der Jeans und der Bluse gab sie das Bild einer Hausfrau auf dem Heimweg ab, die überlegte, was sie ihren Kindern zum Abendessen kochen sollte. Sie setzte ein Lächeln auf. Es wirkte gezwungen. »Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte sie mit einem Blick auf seine verschmutzte Jeans.
    »Natürlich«, log er.
    »Sie sehen ein bisschen blass aus.«
    »Hab die letzten Tage wenig geschlafen.« Wenigstens das war keine Lüge.
    »Ich weiß, was Sie meinen.«
    Er seufzte. »Und bei Ihnen? Alles in Ordnung?«
    Es dauerte einen Augenblick, bevor sie sagte: »Ordnung ist was anderes.«
    »Die Familie?«
    Franziska Bodde presste die Lippen aufeinander.
    »Ich weiß, was Sie meinen«, entgegnete jetzt Kalkbrenner und spürte keinerlei Befriedigung darüber, dass ihn wenigstens bei ihr sein Bauchgefühl nicht getrogen hatte.
    Für die wenigen Sekunden, in denen der Aufzug mit ihnen nach oben schwebte, waren sie Seelenverwandte. Sie teilten das Gefühl von Verlust und Schmerz und die Erkenntnis, dass ihnen außer der Arbeit nicht mehr viel von ihrem Leben geblieben war.
    Dann spuckte der Fahrstuhl sie in der sechsten Etage aus. Zu beiden Seiten des Flurs ging je eine Tür ab. Vor der linken hatten sich vier Schutzpolizisten und drei Zivilisten versammelt: eine ältere Dame, auf einen Gehstock gestützt, ein junger Mann in steifer Stoffhose und Pullunder und eine Frau Mitte dreißig im Businesskostüm.
    Die rechte Tür stand offen und gab den Blick auf ein riesiges Apartment frei, dessen raumhohe Fenster ein faszinierendes Panorama vom nächtlichen Berlin darboten. Allein das war vermutlich den saftigen Preis der Wohnung wert. Noch dazu reichte sie über zwei Etagen. Die Galerie unter der Dachschräge schwang sich wie eine Kirchenempore in den Raum hinauf. Das Apartment war eine überwältigende Augenweide.
    Weniger schön dagegen war der kleine, hagere und nackte Mann, der an einem Strick von einem der Brüstungspfeiler baumelte.
    »Paul, na endlich.« Berger löste sich aus dem geschäftigen Gewimmel der Spurensicherung. Entgeistert musterte er seinen Kollegen. »Was ist mit dir passiert?«
    »Ein Arbeitsunfall.«
    Berger war nicht wirklich überzeugt, doch er wandte sich an Dr. Franziska Bodde. »Und?«
    »Sie hatten recht«, sagte die Kriminaltechnikerin.
    »Womit?«, fragte Kalkbrenner.
    »Später«, sagte Berger in einem bestimmenden Tonfall, der Kalkbrenner ebenfalls nicht gefiel. Er schaute zu dem Leichnam. Der nackte Körper war mit blutigen Striemen und blauen Flecken übersät.
    »Das ist David Block?«
    Bergers Bartspitzen hüpften auf und ab.
    »Wer hat ihn gefunden?«
    »Zwei Beamte.« Berger zeigte auf zwei der grün berockten Männer, die sich im Flur bei den Zivilisten aufhielten. »Die ältere Dame hat sich bei der Polizei beschwert, weil seit gestern ein und dasselbe Lied in Blocks Wohnung lief.«
    »Welches Lied?«
    Berger streifte sich Gummihandschuhe über und drückte die Play-Taste des CD-Spielers auf dem Wohnzimmerschrank. Eine Mundharmonikamelodie erlang laut aus den Bose
-
Lautsprechern. Unverkennbar das Titelthema von
Spiel mir das Lied vom Tod.
    Die Musik erstarb, als Berger den Player wieder ausschaltete. Vom Flur her kam die erstaunlich kräftige Stimme der alten Frau: »Genau diese Musik lief schon seit gestern. Immer wieder das gleiche Lied.« Sie kam einen Schritt näher. »Diese Mundharmonika, das war zum Verrücktwerden!«
    Der junge Mann trat ebenfalls heran. »Ich hab meiner Tante ja immer gesagt,

Weitere Kostenlose Bücher