Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
sozialen Halt geben. Sie sollen ja Kontakte in ihr früheres soziales Umfeld haben. Sie sollen auch neue Kontakte außerhalb des Milieus knüpfen.«
Wird eine Frau von den Ermittlungsbehörden aus ihrer Zwangslage befreit, steht ihr gemäß Ausländergesetz eine vierwöchige Bedenkzeit zu. Wird sie sich für eine Zeugenaussage entscheiden? Die Organisationen, die sich um die Opfer von Menschenhandel kümmern, empfehlen den Schutzsuchenden nicht immer, sich als Zeuginnen zur Verfügung zu stellen: »Zu oft verbinden die Frauen damit die Hoffnung, dafür ein Bleiberecht zu erhalten«, sagt die Agisra e.V-Mitarbeiterin Judith Rosner. Doch meist seien die Zeuginnen – sofern es ihnen nicht gelingt nachzuweisen, dass in ihrem Heimatland Gefahr für Leib und Leben besteht – nur solange gelitten, »wie sie von Interesse für den Prozess sind.« Im Amtsdeutsch heißt das wiederum: »Die Frauen werden solange wie das Verfahren läuft, in Deutschland geduldet«, so Christian Steiof.
Bis zum Prozess gegen ihre einstigen Peiniger leben die Frauen in der Regel von rund 190 Euro pro Monat, etwa dem Satz für Asylbewerber. Bis es zu einem Prozess kommt, können gut und gerne drei Jahre vergehen. »Danach lässt man sie oft wie eine heiße Kartoffel fallen«, beschwert sich Judith Rosner. Kaum dass der Prozess abgeschlossen ist, tritt die Ausreiseverpflichtung wieder in Kraft. Das ist auch ein Grund, weshalb Theda Kröger von der Beratungsstelle Kobra in Hannover sagt, dass »die meisten Opfer hinterher bereuen, überhaupt ausgesagt zu haben«.
»Und so schweigen und leiden viele lieber, als ihre Zuhälter auffliegen zu lassen, oft bis sie daran zerbrechen«, resümiert »Der Spiegel« in einem Beitrag »Importware Sex« vom 23. Juni 2003.
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... erwachte im Krankenhaus. Haftkrankenhaus. Schonend brachte man ihr bei, dass Bela tot sei. Der Dealer, der ihnen das Heroin verkauft hatte, hatte den Stoff mit Medikamenten gestreckt.
Vier Monate lag Anja im Haftkrankenhaus. Es gab zwar eine Fachberatungsstelle, die regelmäßig im Abschiebegewahrsam Angebote für Opfer von Menschenhandel machte, die Sozialarbeiterinnen nahmen aber keine Notiz von ihr, denn Anja war als Drogenopfer eingeliefert. Ein Verfahren war angesetzt, die Abschiebung geplant, Anja erledigt.
Als sie allerdings sah, wie eine Zellengenossin einen Zettel bekam, ließ sie sich das Faltblatt zeigen und las. Es war die Info-Broschüre einer Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel.
Anja suchte den Kontakt zur Fachberatungsstelle. Jetzt zeigte auch die Polizei Interesse an ihr. Man sicherte ihr ein Opferschutzprogramm zu, und Anja erklärte sich bereit, gegen ihre Zuhälter auszusagen. Bei der ersten Vernehmung erfuhr sie, dass Asmil T., ihr vermeintlicher »Verlobter«, bereits seit fünf Jahren verheiratet war. Erst jetzt ging ihr wirklich auf, welch böses Spiel die letzten Monate mit ihr getrieben worden war. Und als wäre das nicht genug, erreichte sie das Ergebnis der Untersuchung, die man sie unterzogen hatte: HIV -positiv, Hepatitis B , Hepatitis C – und das alles durch einen einzigen, ihren ersten Schuss!
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Nach Ansicht optimistischer Zeitgenossen werden sich zumindest viele Probleme irgendwann von selbst lösen. Die EU -Osterweiterung ermögliche Frauen, die aus einigen der ehemaligen Ostblockstaaten nach Deutschland kommen, einen legalen Aufenthaltsstatus und damit die ersehnte Arbeitsgenehmigung. Somit wären sie nicht mehr in dem Ausmaß anfällig für hinterlistige und brutale Zuhälterstrukturen. Doch es gibt auch Zweifler: »Die EU -Osterweiterung wird allenfalls dafür sorgen, dass Frauen, mit denen gehandelt wird, nicht mehr illegal nach Deutschland reisen, sondern einen legalen Aufenthaltsstatus genießen«, meint eine Sozialarbeiterin, die an der deutsch-polnischen Grenze Streetwork leistet. »Das macht es den Menschenhändlern um einiges einfacher. Die Umschlagplätze für Frauen wird es aber weiterhin geben, genauso wie die Schuldenfalle, in die sie durch die Reise- und Schlepperkosten geraten.«
Rettender Engel
Short Story
Die Geschichte von Miguel Dossantos ist noch nicht zu Ende erzählt. Sie findet in meinem dritten Paul-Kalkbrenner-Thriller »Trieb« ihre (erste) Fortsetzung. Aber auch darüber hinaus beschäftigten mich die Machenschaften des skrupellosen Portugiesen. Deshalb hielten sie wiederholt Einzug in Short Stories.
Zum Beispiel in »Rettender Engel«, einer Kurzg
es
chichte, die 2011 in einer
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