Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
fährt die Frauen zu den Freiern, mit denen die Zuhälter die Termine aufgrund von Anzeigen wie »Naturgeile jg. Ukrainerinnen 24 h H/H Service« oder »18 J. Topfigur, hübsch, naturgeil, rasiert. H+H « in einschlägigen Zeitungen vereinbaren.
Frauen, die sich all dem widersetzen, sind Repressalien ausgeliefert, die jedoch nicht immer aus massiver körperlicher Gewaltausübung bestehen, wie die Dortmunder Mitternachtsmission e. V. betont, »sondern häufig auch durch Einschüchterungen (zum Beispiel Körpersprache, Drohgebärden, Anschreien, erzwungener Anwesenheit bei Vergewaltigungen und Misshandlungen anderer Frauen)«.
Christiane Howe von Agisra e. V. bestätigt: »Es ist nicht so, dass sie hier eingesperrt oder geprügelt werden. Es reicht schon, dass man ihnen mit der Familie im Heimatland droht.« Da heißt es dann: »Wenn du nicht das Geld heranbringst, passiert deinen Kindern was!«
Veronika Munk: »Die Frauen müssen also arbeiten, sie werden auch arbeiten, aber sie sind abhängig.«
Die Lage hat durchaus etwas von einer Schuldknechtschaft. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: »Die andere Seite der Medaille ist die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen in Deutschland, wobei es die Kunden offenbar wenig interessiert, ob die Prostituierte wirklich freiwillig arbeitet oder zum Sex gezwungen wird. Schließlich profitieren auch sie von der Abhängigkeit und Rechtlosigkeit der ausländischen Frauen, bei denen sie ihre Wünsche leichter und preiswerter meinen durchsetzen zu können.« (Quelle: www.bmfsfj.de , Gewalt gegen Frauen hat viele Facetten, 3.1.2001)
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Eines Tages gelang Anja die Flucht aus einem der Clubs. Anfangs war sie hilflos. Zur Polizei konnte sie nicht gehen, schließlich war sie illegal in Deutschland. Dann begegnete sie drei Männern türkischer Herkunft, die ihr bereits bei ihren Zuhältern in Berlin mehrmals über den Weg gelaufen waren. Sie machten einen soliden Eindruck auf sie und erklärten, ihr helfen zu wollen. Sie meinten: »Wenn du nicht in der Prostitution arbeiten willst, hätten wir da einen schwerreichen Rentner für dich. Er besitzt eine Baufirma und lebt alleine. Vielleicht kannst du ihm ein wenig im Haushalt helfen.«
Anja war skeptisch. Die Männer beschwichtigten: »Erst einmal für einen Monat. Du kriegst dafür auch viel Geld.«
Die drei Männer wussten, dass Anjas Interesse dunkelhaarigen, muskulösen Männern galt. Asmil T., einer der drei, begann ihr zu schmeicheln. Er versprach sie zu heiraten und mit ihr nach Polen zurückzukehren. Anja kam zu dem Entschluss, dass Asmil T. und seine beiden Kumpanen ihre Freunde seien und sie ihr den schwerreichen Baumagnaten aus Wohlwollen vermittelt hätten. Am Ende würde alles gut werden für sie und Asmil T. ...
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Zur Polizei können betroffene Frauen nicht gehen. »Kaum eine ausländische Hure wendet sich freiwillig an die Polizei, schließlich hat sie sich wegen ›unerlaubter Erwerbstätigkeit‹ selbst strafbar gemacht«, weiß der Journalist Joachim Rieker. »›Wenn du nicht gehorchst, melde ich dich dem Ausländeramt‹ – diese Drohung eines Zuhälters verfängt bei jeder Frau, die offiziell als Touristin nach Deutschland gekommen ist und nur als Prostituierte arbeitet.«
Viele der Frauen aus osteuropäischen Ländern haben darüber hinaus auch »schlechte Erfahrungen mit Polizei gesammelt. Wenn eine Frau aus einem Dorf in Weißrussland kommt, wo die Polizei korrupt ist und sowieso mit den Zuhältern gemeinsame Sache macht, können wir nicht erwarten, dass sie bei uns sofort Vertrauen zur Polizei fasst«, erklärt Christian Steiof vom Landeskriminalamt Berlin. Zumal auch die Täter gut in der Lage sind, bei den Frauen Misstrauen zu schüren. Die Beispiele korrupter Ermittler nutzen Zuhälter, um die Frauen einzuschüchtern: Die deutsche Polizei sei ähnlich verdorben wie die Behörden im Osten, drohen sie oft – wer mit Beamten rede, dem werde es schlecht ergehen. »Gute Verbindungen zu Polizei und Ausländerbehörden werden vorgetäuscht, um so ein umfassendes Machtgefüge darzustellen, demgegenüber die Frauen alle Hoffnungen auf Entkommen aufgeben«, wissen auch die Mitarbeiterinnen der Dortmunder Mitternachtsmission e. V.
»Oder es würden«, so Christian Steiof vom Landeskriminalamt Berlin, »zwei Freunde für ein paar Euro angeheuert, die dann als Polizisten ins Bordell kommen, den Frauen drohen, Gewalt zufügen, sie vergewaltigen ...« Damit haben Menschenhändler und
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