Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
Sofakante gereckt und schlabberte ihn mit der Zunge ab.
»Es gibt angenehmere Methoden, geweckt zu werden, oder?« Ellen stand im Türrahmen. Sie trug einen hellblauen, seidenen Bademantel und dazu Pantoletten.
Fast rechnete er damit, dass sie den Bademantel über ihre Schultern fallen lassen und ihm einen Anblick erlauben würde, der ihm so lange verwehrt geblieben war. Doch sie drehte sich um und ging in die Küche zurück. Dafür wollte sich der Bernhardiner wieder über Kalkbrenner hermachen. Er schob den Hund, dessen Fell klitschnass war, beiseite. Als wollte Bernie dies noch einmal unter Beweis stellen, schüttelte er seinen Körper und spritzte das Wasser auf die umliegenden Kissen.
»Warum ist er so nass?«
»Ich war mit ihm draußen«, kam Ellens Stimme, untermalt vom Klappern des Geschirrs, aus dem Nachbarraum. »Und es regnet.«
Er sah zum Garten hinaus. Die Spätsommersonne hatte sich hinter dichten, tief hängenden Wolken versteckt, die ihren Inhalt gerade großzügig über der Stadt abluden.
Ellens Kopf erschien im Durchgang. »Magst du Frühstück?«
Erst jetzt roch er den Duft von aufgebackenen Brötchen und frischem Kaffee. »Keine schlechte Idee.«
»Also, worauf wartest du dann noch?«
Er spurtete die Treppe hinauf ins Badezimmer und unter die Dusche. Als er fertig war, lauschte er. Er wollte Ellen nicht kompromittieren. Sie hantierte noch immer unten in der Küche. Nackt huschte er ins Schlafzimmer und zog die Gardine vor die Balkonfenster. Dann machte er sich am Kleiderschrank zu schaffen. Als er in die Pension gezogen war, hatte er nicht alle seine Klamotten mitnehmen können und einen Teil hier im Haus zurückgelassen. Er wählte eine frische Jeans und ein neues Hemd.
Trotz des feudalen Essens am Vorabend verspürte er beim Anblick der dampfenden Brötchen, des Aufschnitts, der Käseplatte, der Eier, Tomaten, Gurken, Bananen, Trauben und Mandarinen schon wieder Appetit. Sogar an Sahnemeerrettich hatte Ellen gedacht.
Angesichts des reichhaltig gedeckten Frühstückstisches fiel es ihm schwer, seine Frau um noch einen weiteren Gefallen zu bitten. »Könnte ich die nächsten Tage Bernie bei dir lassen? Zumindest so lange, bis ich …«
Ihr strafender Blick brachte ihn zum Schweigen. Für einen Moment sagte keiner was. Nur das Splittern seines Brötchens war zu hören, als er hineinbiss – und das Schmatzen von Bernie, der sich über den Inhalt seines Napfes hermachte.
Ellens Miene wurde milder. »Paul, das gestern war ein schöner Abend. Es würde mich freuen, wenn wir so was wieder häufiger erleben.«
Er wusste nicht recht, was er darauf antworten sollte.
»Natürlich kannst du Bernie bei mir lassen«, sagte Ellen. »Ich freu mich sogar über seine Gesellschaft.«
»Danke, damit hilfst du mir unglaublich. Dr. Salm hat ihn im Büro verboten.« Er lächelte Ellen an.
Erleichtert griff er zur Sonntagsausgabe des
Berliner Kurier.
Aufmacher war natürlich immer noch die vergebliche Suche der Polizei nach den flüchtigen Amokläufern. Unter dem Artikel von Hardy Sackowitz war außerdem ein kleines Foto von Kalkbrenner abgedruckt. Es war eines der seltenen Bilder, die ihn im Anzug zeigten.
»Hat man dich deshalb aus dem Urlaub geholt?«, wollte Ellen wissen.
»Anweisung von ganz oben.«
Er blätterte weiter, überflog Berichte, die sich mit den heutigen Wahlen beschäftigten. Alle Meinungsforschungsinstitute prophezeiten das Ende der rot-roten Regierung im Berliner Senat. Er las in einen weiteren Bericht hinein, der sich mit der Einweihung einer Neuköllner Sozialeinrichtung und deren prominenten Förderern auseinandersetzte. Die Homestory dazu stammte ebenfalls von Hardy Sackowitz.
Die letzten paar Seiten waren mit allerhand angeheiterten Promis und barbusigen Starlets, anrüchigen Nachteulen und zwielichtigen Partyhelden gefüllt, die in Nachtschuppen wie dem
Eden Club
am Ku’damm oder dem
Café Hermano
am Alexanderplatz die Berliner Schickimicki-Szene pflegten. Da ihn das nicht interessierte, legte Kalkbrenner die Zeitung wieder beiseite.
Er schälte eine Banane und griff zum Kochbuch von Tim Mälzer. Aufmerksam suchte er in dem Rezeptverzeichnis. Mit den Garnelen mit grobem Meersalz glaubte er, ein passendes Rezept für einen lauen Spätsommerabend gefunden zu haben. Zudem schien es selbst bei der Zubereitung für vier Personen dem Koch, also ihm, nicht allzu viel Können abzuverlangen. Dazu sollte es einen Salat und frisches Weißbrot geben. Er notierte sich die Zutaten
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