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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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war wütend. Er hatte den konkreten Anlass dafür vergessen, aber es gab immer tausend Gründe, um zornig zu sein. Eigentlich war es nur noch ein tobendes Gefühl in ihm, das durch die Drogen betäubt wurde. Speed, Ecstasy und sogar eine Spur Kokain brannten unter seiner Haut. Ein Kribbeln wie von tausend Ameisenvölkern. Er kratzte sich. Es hörte nicht auf. Er rannte weiter. Vorwärts, durch die Stadt.
    Jemand verstellte ihm den Weg. Er rempelte ihn an. Die Stimme wurde lauter. »Ich bin’s doch, Christian!«
    Der junge Mann lachte, doch die Freude über das zufällige Aufeinandertreffen war nur geheuchelt. »Was ist los mit dir?«
    Es war drückend warm, aber Christian trug einen Anzug. An seiner Hand hing ein Püppchen in grünem Kleid. Ungeduldig wippte sie auf den Absätzen ihrer Pumps.
    »Das ist ein guter Freund von mir«, sagte Christian. Die Schnecke zeigte zwei Reihen weißer Zähne.
    Christian musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Geht es dir gut?«
    Die Wunden der letzten Nacht waren noch nicht abgeheilt, und er hatte weder die Klamotten gewechselt noch geschlafen. Dass er hellwach war, verdankte er den kleinen bunten Pillen, die er geschluckt hatte. Sie machten vieles erträglicher, jetzt aber kitzelten sie ihn am ganzen Körper. Er musste sich bewegen, das Stillstehen brachte ihn um.
    Aber Christian stand direkt vor ihm, versperrte ihm den Weg. »Man hört ja abenteuerliche Geschichten über dich.«
    Gelangweilt fischte die Puppe mit ihren langen Fingernägeln einen Kaugummi zwischen den Zähnen hervor.
    »Aber da ist nichts Wahres dran, oder?«
    Er kannte Christian seit vielen Jahren. Sie waren tatsächlich so was wie gute Freunde gewesen. Damals. Er kratzte sich wieder.
    »Redest du nicht mehr mit mir?«, fragte Christian.
    »Doch.«
    »Ich wollte dich nämlich um was bitten.«
    »Was?« Sein Tonfall war schroffer als beabsichtigt. Aber genau in der Sekunde wurde das Kitzeln unerträglich.
    »Nun, ich dachte … ich meine …« Christian stammelte. »Jetzt, wo dein Vater …«
    »Halt die Fresse!«
    Christian erstarrte. Seiner blasierten Puppe entglitt vor Schreck der Kaugummi. Er landete auf dem Bordstein, genau vor ihrem nackten kleinen Zeh. Er war grün lackiert. »Ein toller Freund«, flüsterte sie zu laut.
    »Und du auch, du Fotze!«
    Eingeschüchtert ging sie hinter Christian in Deckung. »Also, hör mal«, empörte der sich und plusterte sich in einer heldenhaften Nimm-dich-in-Acht-Geste auf. »Du musst nicht glauben, nur weil dein Vater …«
    Er schlug zu, mitten ins Gesicht. Christians Schmerzensschrei beruhigte seine Nerven, deshalb hämmerte er gleich noch einmal die Faust gegen dessen Kinn. Dann in den Magen. Die Puppe rief irgendetwas. Christian taumelte, sank auf die Knie. Er trat ihm in die Hoden. Christian verdrehte die Augen, dann kippte er bewusstlos zur Seite. Kein Held mehr. Ein Niemand.
    Die Puppe wollte wegrennen. Ihre Absätze blieben zwischen den Pflastersteinen stecken. Sie stürzte.
    Langsam ging er auf sie zu, neigte sich zu ihr hinab. Er kam ihr nahe. Nahm den Duft ihres Parfüms wahr. Aber da waren noch mehr Gerüche. Schweiß. Und Angst. Alle Hochnäsigkeit war aus ihrem Gesicht gewichen. Ihm gefiel außerordentlich, was er sah.
    Da erklangen Schritte. Sie näherten sich rasch.
Scheiße!
Er rannte in die Nacht.

Berliner Kurier, Sonntag, 30. September 2004
    Nach den Senatswahlen heute:
Ende der Gewalt?
    Berlin. Meinungsforschungsinstitute prophezeien der CDU bei der Senatswahl einen haushohen Sieg.
    Die blutigen Ereignisse an der Berthold-Hauptschule Neukölln spielen der CDU in die Hand. Dr. Frieder von Hirschfeldt, Kandidat für das Amt des Innensenators, fordert: »Wir müssen der organisierten Kriminalität und der zunehmenden Jugendgewalt in den Problembezirken der Stadt endlich ein Ende bereiten.«
    Im Fall der beiden Amokläufer Lukaz V. und Asim K. hat die Polizei nach wie vor keine neue Spur. Allerdings ist nach Informationen des Kurier inzwischen Kommissar Paul Kalkbrenner der Fall zugeteilt worden. Kalkbrenner hatte maßgeblich zur Aufklärung der brutalen Mordserie in Berlin im Sommer dieses Jahres beigetragen. Der Kurier berichtete.

34
    Ein Insekt glitt ihm übers Gesicht. Es war rau und nass. Es streifte seine Stirn, die Nase, die Lippen. Es ließ nicht von ihm ab. Immer gieriger wurde das Schmatzen.
Schmatzen?
Eine vertraute Stimme tadelte: »Bernie, wirst du wohl aufhören!«
    Paul Kalkbrenner erwachte. Der Hund hatte seine behaarte Schnauze über die

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