Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
der
»Politikersohn angeschlagen im
Café Hermano
«
entdeckt worden
.
Angeschlagen.
Die aufgeschürften, blutigen Hände ließen keinen Zweifel daran. Die Stelle, wo seine Hose hätte sitzen müssen, war dankenswerterweise mit einem schwarzen Balken verdeckt.
»Kein schönes Foto«, murmelte Schmücker.
»Und ausgerechnet im
Hermano
!«
»Gehört das nicht diesem Portugiesen?«, fragte Patrizia.
Von Hirschfeldt hielt bereits das Telefon in der Hand. Nach dem zweiten Freizeichen wurde abgenommen. Ohne Begrüßung fragte von Hirschfeldt: »Hast du schon den
Kurier
gelesen?«
»Nein.« Eine kurze Pause entstand. »Wieso?«
»Wieso hast du mich belogen, Karl-Edmund?«
36
Kalkbrenner quälte sich durch den anhaltenden Regen über die B1 in Richtung Mitte, als sich Dr. Salm gewohnt übellaunig bei ihm meldete. »Kalkbrenner, haben Sie die Zeitung gelesen?«
»Mhm.«
»Sie verlangen von mir, dass ich Stillschweigen bewahre, aber zugleich halten Sie Ihr Gesicht in die Kamera?«
»Das Foto ist vom Juni.«
»Aber es ist
heute
in der Zeitung abgedruckt! Woher weiß der Reporter, dass Sie an dem Fall hängen?«
»Er hat mich gestern vor der Berthold-Schule getroffen.«
»Haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Ja, natürlich.«
»Das war dieser … dieser … wie heißt er noch?«
»Sackowitz.«
Dr. Salm grunzte abfällig. Dabei war es ebenjener Journalist gewesen, dessen schmeichelhafte Berichte im Sommer seine Beförderung begünstigt hatten. Jetzt allerdings ging es darum, den Posten zu behalten. »Kalkbrenner, merken Sie sich das ein für alle Mal: Für die Kommunikation nach draußen bin ich verantwortlich. Schließlich muss ich auch meinen Kopf dafür hinhalten. Also bitte, zügeln Sie sich.« Etwas raschelte, Dr. Salm schnäuzte sich. »Und halten Sie mich auf dem Laufenden.«
Ohne ein weiteres Wort legte er auf, doch eine Sekunde später klingelte das Motorola erneut. Diesmal war es Berger. »Hat dich der Chef auch gerade angerufen? Ist wohl mit dem falschen Bein aufgestanden.«
»Wann ist er das nicht?«
Der Regen wurde stärker. Es blitzte und donnerte. Die Fahrt nach Neukölln gestaltete sich zäh. In Schöneberg war bereits die Hauptstraße gesperrt, weil die alten Berliner Kanalrohre die Wassermassen nicht bewältigten. Er musste einen Umweg über Tempelhof fahren.
Weit nach 13.00 Uhr parkte er endlich in der Straße vor Kapkins Haus. Der Kiez war wie jeder andere in Neukölln. Kalkbrenner wartete, bis das Gewitter ein wenig nachließ, und eilte dann zum Hauseingang. Von einem der Balkone vernahm er das sanfte Klingeln eines Windspiels. Ein heiterer, diesem trostlosen Ort völlig unangemessener Ton, als versuchte jemand, sich ein Stück heile Welt zu erhalten. Es dauerte eine Weile, dann knackte es in der Gegensprechanlage. Gebetsmusik schrillte aus dem Lautsprecher.
»Hier ist Kriminalkommissar Paul Kalkbrenner. Ich würde gerne mit Abdülkadir Kapkin sprechen.«
Wieder verstrichen Sekunden, bis endlich der Summer ging. Das Treppenhaus unterschied sich nicht sonderlich von dem des Hauses der Familie Vurikovici. Es war vollgemüllt und stank. Hinter beinahe jeder Tür lärmte ein Fernseher oder ein Mann, der seine Frau oder sonst wen anschrie.
Kalkbrenner stieg schnurstracks in den dritten Stock hinauf. Ein gedrungenes Männlein erwartete ihn bereits. Sein wuchtiger Schnauzbart war grau und seine Miene zornig.
Kalkbrenner zeigte seinen Dienstausweis, doch das besserte die Laune von Asims Vater keineswegs. »Sie wollen was?«
»Ich suche Ihren Sohn.«
»Er ist nicht hier.«
»Hat er sich bei Ihnen gemeldet?«
Kapkin funkelte ihn an. »Das wagt er nicht!«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir uns in Ihrer Wohnung unterhalten?«
»Ja.«
»Herr Kapkin, es ist wirklich wichtig.«
»Dann reden Sie!« Seine Worte hallten durch das Treppenhaus. Eine oder zwei Etagen unter ihnen verließ jemand die Wohnung. Ein Windstoß fegte durch das Gebäude, so dass die Tür hinter Kapkin aufflog.
Kalkbrenner erhaschte einen Blick auf verschiedene Bilder und Skulpturen. Er war kein Experte, aber nach dem Ausflug ins Museum für islamische Kunst, den er einmal mit Jessy unternommen hatte, konnte er ahnen, dass Kapkins Haushalt muslimisch war.
»Haben Sie eine Ahnung, wo Ihr Sohn ist?«
»Nein. Und es ist mir egal.«
»Es könnte sein, dass Asim in Gefahr ist.«
»Geschieht ihm recht.«
»Sie mögen Ihren Sohn nicht besonders, oder?«
Der Mann knurrte wie ein Tiger, der kurz davorstand, seinem
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