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Gier, Kerstin

Gier, Kerstin

Titel: Gier, Kerstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smaragdgruen (Liebe geht durch alle Zeiten Bd 3)
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mir ja nun wirklich nicht antun. War das nicht James' roter Rock, der
soeben durch einen der Ausgänge verschwand? Ich beschloss, ihm zu folgen. Das
hier war schließlich sein Zuhause und außerdem war es meine Schule, ich würde
ihn schon aufspüren. Und dann würde ich versuchen, die Sache mit Hector geradezurücken.
    Beim
Verlassen des Saales warf ich noch einen prüfenden Blick auf Lord Alastair, der
nach wie vor an der gleichen Stelle stand und den Grafen nicht aus den Augen
ließ. Sein Geisterfreund schüttelte mordlüstern sein Schwert und ohne Zweifel
röchelte er dabei hasserfüllte Parolen. Keiner von ihnen bemerkte mich. Dafür
aber schien Gideon meine Flucht zu registrieren. In der Reihe der Tanzenden
entstand Unruhe.
    Mist! Ich
drehte mich um und machte, dass ich hinauskam. In den Korridoren herrschte eher
trübe Beleuchtung, aber hier draußen tummelten sich noch immer jede Menge
Gäste.
    Ich hatte
den Eindruck, dass nicht wenige Pärchen dabei waren, sich ein ruhiges
Plätzchen zu suchen, und gleich gegenüber vom Ballsaal befand sich eine Art
Spielsalon, in den sich ein paar Herren zurückgezogen hatten. Zigarrenqualm
drang durch die halb offene Tür. Am Ende des Ganges glaubte ich, James' roten
Rock um die Ecke biegen zu sehen, und ich rannte ihm nach, so schnell es mein
Kleid erlaubte. Als ich den nächsten Gang erreichte, war keine Spur mehr von
ihm zu entdecken, was bedeutete, dass er in einem der Zimmer verschwunden sein
musste. Ich öffnete die nächstgelegene Tür und schloss sie gleich wieder, als
der Lichtschein eine Chaiselongue erfasste, vor der ein Mann (nicht James!)
kniete, der gerade dabei war, einer Dame das Strumpfband abzustreifen. Nun ja,
wenn man in diesem Zusammenhang noch von einer Dame reden
durfte. Ich grinste ein bisschen, während ich auf die nächste Tür zusteuerte.
Im Grunde unterschieden sich diese Partygäste hier nicht sehr von denen in
unserer Zeit.
    Hinter mir
im Gang wurden Stimmen laut. »Warum rennt Ihr denn so schnell? Könnt Ihr Eure
Schwester denn nicht mal für fünf Minuten alleine lassen?« Unverkennbar Lady
Lavinia!
    Ich
schlüpfte wie der Blitz ins nächstgelegene Zimmer und lehnte mich von innen
gegen die Tür, um tief Luft zu holen.
     
    Der
Feige stirbt schon vielmal, eh' er stirbt,
    Die
Tapfern kosten einmal nur den Tod.
    Von
allen Wundern, die ich je gehört,
    Scheint
mir das größte, dass sich Menschen fürchten,
    Da
sie doch sehn, der Tod,
    das
Schicksal aller, kommt, wann er kommen soll.
     
    (William Shakespeare,
»Julius Cäsar«, 2. Aufzug, 2. Szene)
     
    9
     
    Es war nicht
dunkel, wie ich erwartet hatte. Der Raum wurde von ein paar Kerzen erhellt, die
einen Bücherschrank und einen Schreibtisch beleuchteten. Offenbar war ich in
eine Art Arbeitszimmer geraten. Und ich war nicht allein.
    Auf dem
Stuhl hinter dem Schreibtisch saß Rakoczy, vor sich ein Glas und zwei Flaschen.
Die eine Flasche enthielt eine rötlich schimmernde Flüssigkeit, die nach
Rotwein aussah, die andere, eine zierliche, geschwungene Phiole, war mit einem
dubiosen schmutzig grauen Inhalt gefüllt. Der Degen des Barons lag quer über
dem Schreibtisch.
    »Das ging
aber schnell«, sagte Rakoczy und seine Stimme mit dem harten, osteuropäischen
Akzent klang ein wenig verschwommen. »Gerade habe ich mir noch gewünscht, einem
Engel zu begegnen, und schon öffnet sich das Himmelstor und schickt den
lieblichsten Engel heraus, den der Himmel aufzubieten hat. Diese wunderbare
Medizin hier übertrifft alles, was ich jemals probiert habe.«
    »Solltet
Ihr nicht... äh ... aus dem Schatten über uns wachen oder so?«, erkundigte ich
mich und überlegte, ob ich den Raum nicht lieber wieder verlassen sollte, auch
auf die Gefahr hin, Gideon in die Arme zu laufen. Rakoczy war mir schon in
nüchternem Zustand nicht ganz geheuer.
    Meine
Worte schienen ihn allerdings etwas zu sich zu bringen. Er runzelte seine
Stirn. »Ah - Ihr seid das!«, sagte er immer noch verschwommen, aber deutlich
weniger verklärt. »Kein Engel - nur ein dummes, kleines Mädchen.« Mit einer
einzigen, geschmeidigen Bewegung, beinahe schneller als ich blinzeln konnte,
hatte er sich die kleine Phiole vom Schreibtisch geschnappt und kam damit auf
mich zu. Gott weiß was für Zeug er eingeworfen hatte, aber seine motorischen
Fähigkeiten schienen in keiner Weise beeinträchtigt zu sein. »Allerdings ein
sehr schönes, kleines, dummes Mädchen.« Er war jetzt so nah, dass mich sein
Atem streifte - er roch nach Wein und

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