Gier nach Blut
ausgestoßen.
Ruiz wollte schon eine Frage stellen, als er das leise Gelächter vernahm.
Irgendwie flüsternd, aber trotzdem schrill drang es an seine Ohren, und es war ein böses Gelächter.
Es verstummte, als sich jemand an der Tür zu schaffen machte. Perez drückte sie nur halb auf und stierte auf die Ladefläche.
Das Licht breitete sich aus und erreichte auch die Blutfrau. Sie hatte ihre Lage kaum verändert, lehnte mit dem Rücken an der Wand und hatte die Beine vorgestreckt. Der Mund stand offen. Es waren auch ihre beiden Vampirzähne zu sehen, die aussahen wie schimmernde Tropfen.
»Hast du die Kleidung?« fragte Ruiz zischend.
»Ja.« Perez hob eine Tüte an.
»Her damit!« Ruiz selbst packte die Tüte aus. Er fand darin eine Hose, flache Turnschuhe und einen Pullover. Das mußte reichen. Er schleuderte der Blutsaugerin die Klamotten zu. »Zieh sie an.«
Für einen Moment sah sie so aus, als hätte sie nichts verstanden. Dann aber griff sie nach der Hose. Den Mantel zog sie zuvor aus, und Ruiz war zufrieden.
»Bleiben Sie hier, Jefe?«
»Ja.«
»Wo fahren wir jetzt hin?«
Jorge Ruiz zeigte seinem Leibwächter ein eiskaltes Grinsen. »Jetzt holen wir uns Anita Marguez. Sie ist die erste in dieser langen Tour der Rache…«
Elvira hatte mir die Tür geöffnet und mich angelächelt, als sie mein überraschtes Gesicht sah. »Was ist? Habe ich etwas falsch gemacht?« fragte sie ungehalten.
»Nein, nein, das nicht. Ganz im Gegenteil. Ich wundere mich nur, daß Sie hier in der Wohnung sind.«
»Warum nicht?«
»Haben Sie keinen Job?«
»Den habe ich. Aber es gibt Dinge, die verdammt wichtiger sind, John. Kommen Sie herein.«
»Danke.«
Ich betrat die Wohnung zum zweitenmal und begrüßte auch Ricca, die Großmutter. Sie saß am Küchentisch. Vor ihr stand eine große, mit Tee gefüllte Tasse, deren Inhalt sie mit schlürfenden Schlucken leerte.
Ich schaute mich um und fragte: »Fehlt nicht noch jemand im Kreise der Familie?«
Elvira nickte. »Ja, meine Mutter.«
»Kommt sie noch?«
»Wenn sie ihren Job beendet hat. Sie arbeitet in einer Wäscherei. Gegen Abend wird sie hier sein. Sie fährt immer mit dem Rad. Der Laden ist nicht weit von hier entfernt.«
»Das gefällt mir nicht«, murmelte ich.
»Warum nicht?«
»Sie ist ohne Schutz.«
Elvira hob die Schultern. »Meinen Sie denn, daß auch am Tage etwas passiert? Vampire sind Geschöpfe der Nacht. Daß sie tagsüber umhergeistern, das habe ich noch nie gehört.«
»Abgesehen davon, daß es auch hier Ausnahmen geben kann, möchte ich Ihnen doch raten, Ihre Mutter anzurufen und sie zumindest fragen, ob alles in Ordnung ist.«
Elvira lächelte mich an. »Okay, damit sie beruhigt sind.« Elvira ging zum Telefon. Der alte schwarze Apparat stand auf einem schmalen Tischchen, zusammen mit einer dünnen Vase, aus dem zwei schmächtige Rosen hervorschauten.
Ich wollte nicht unhöflich sein und hatte mir ebenfalls eine Tasse Tee eingeschenkt. Ich setzte mich Ricca gegenüber, die mich sehr genau musterte. »Du hast gute Augen, Junge.«
»Hören Sie auf! Ich…«
»Doch, mein Junge, das kann ich beurteilen. Ich sehe es. Ich durchschaue die Menschen. Nicht umsonst sagt man, daß die Augen die Spiegel der Seele sind. Auch bei dir ist das deutlich festzustellen. Ich bin froh, dich in meiner Nähe zu wissen. Wenn uns jemand schützen kann, dann bist du es. Aber du mußt achtgeben. Diese Blutsaugerin ist tödlich, das war sie schon früher, denn mein Großvater hat mich immer vor ihr gewarnt. Achtzig Jahre lag sie begraben unter der Erde, jetzt nicht mehr.«
»Noch haben wir sie nicht gesehen.«
Die alte Ricca hob ihre Hand und winkte ab. »Ich weiß es, aber ich bin sicher, daß…«
Sie verstummte, weil wir beide die Stimme der Enkelin hörten. »Ja, ich grüße Sie, Mrs. Burnely. Hier spricht Elvira Marquez. Ist meine Mutter noch bei Ihnen?« Sie lauschte und sagte dann: »Kann ich sie mal kurz sprechen? Es dauert wirklich nicht lange.«
Anita Marquez wurde geholt. In der Zwischenzeit wandte sich Elvira an uns. »Sie ist noch da. Ich denke, wir haben uns grundlos Sorgen gemacht. Was soll ich sie denn fragen, John?«
»Ob alles in Ordnung ist und ob ihr etwas aufgefallen ist, was aus dem Rahmen fiel.«
Sie hob die Schultern. »Nun ja, ich werde es versuchen. Nur wird sich meine Mutter wundem.«
»Lieber einmal zuviel wundern, als einmal zuwenig achtgeben. Wir müssen ab sofort umdenken, meine ich.«
»Sie haben das Sagen.« Elvira
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