Gier nach Blut
er noch normal lebt. Die anderen hätten die Chance gehabt, ihn entweder zu töten oder ihn aber zu einem Untoten zu machen. Warum sie es nicht getan haben, ist auch für ihn ein Rätsel.«
»Das werden wir bestimmt lösen können, Sir. Hier ist alles ruhig – noch. Jetzt aber rechne ich damit, daß wir Besuch bekommen werden, sobald es dunkel ist.«
»Davon können Sie ausgehen, John. Außerdem werden Sie Suko als Unterstützung erhalten. Er hat versprochen, so bald wie möglich bei Ihnen zu erscheinen, wenn die Sache in dem Industriegebiet gelaufen ist.«
»Was immer auch geschieht, ich werde hier warten.«
»Und Sie können mich im Büro erreichen.«
Ich legte auf. Die beiden Frauen schauten mich fragend an. Es war klar, daß ich ihnen gegenüber mit der Wahrheit herausrücken mußte. Sie hörten mir schweigend, gespannt und auch furchtsam zu. Da saßen drei Menschen an einem Küchentisch zusammen, aber es wollte alles aufkommen, nur keine Gemütlichkeit.
»Also stimmt es doch«, sagte Elvira.
»Hast du daran gezweifelt, Kind?«
»Ja, Großmutter, ja.« Sie schlug auf den Tisch. »Ich wollte es nicht wahrhaben.« Mit einer heftigen Bewegung strich sie das lange Haar zurück. Ihr Gesicht nahm einen harten Ausdruck an. »Ich habe das alles nicht so ernst genommen, schätze aber, daß ich jetzt umdenken muß.«
Ich nickte.
Die alte Ricca aber stand auf. Sie ging auf die Tür ihres Zimmers zu.
Bevor sie verschwand, drehte sie sich noch einmal um und sagte: »Ich werde für uns beten…«
***
Heiß war es immer. Ob im Sommer oder im Winter, in dieser verfluchten Waschküche gab es einfach keine Jahreszeiten, und Anita Marques hatte sich im Laufe der letzten fünfzehn Jahre auch daran gewöhnt. Seit dieser Zeit arbeitete sie bereits im Betrieb, der von einer Familie geführt wurde. Dank ihrer Fähigkeiten und Routine war sie zur Vorarbeiterin aufgestiegen und kümmerte sich nur um die schwierig zu bügelnden Wäschestücke.
Trotz der allgemeinen Rezession ging es dem Betrieb leidlich gut. Das lag nicht nur an den niedrigen Löhnen, sondern auch daran, daß die Preise entsprechend kalkuliert wurden. Wirte und Restaurantbesitzer ließen bei den Costas waschen, und eine chinesische Konkurrenz war noch nicht unmittelbar vorgedrungen.
Anita dachte über den Anruf nach, der sie von der Bügelmaschine geholt hatte. Sie hatte ein großes Teil einlegen wollen, bevor sie zum Telefon gegangen war.
Daß Elvira sich dermaßen anstellte, war ihr beinahe peinlich.
Ausgerechnet ihr hatte sie das nicht zugetraut. Wenn es Ricca gewesen wäre, das ließ sich akzeptieren, sie glaubte an die alten Geschichten und hielt sie sogar für Tatsachen, aber die angeblich so moderne Elvira? Das wollte Anita nicht in den Kopf. Ihre Tochter war immer stolz darauf gewesen, die alten Traditionen hinter sich gelassen zu haben, aber sie hatte sich eben verrückt machen lassen, und daran trug sicherlich Ricca die Schuld. Anita lächelte, als sie daran dachte, daß Elvira ihr sogar einen Schutz vorgeschlagen hatte. Damit war sie überhaupt nicht zurechtgekommen. Einen Schutz gab man irgendwelchen Kronzeugen, die wirklich etwas zu sagen hatten, aber nicht auf irgendwelche Märchen oder Legenden. Da hatte Anita ihre Tochter enttäuschen müssen, und sie würde ihr auch kräftig den Kopf waschen, wenn sie wieder in der Wohnung war. Am besten Ricca gleich mit.
Die Maschine bügelte das große Wäschestück. Sie feuchtete es gleichzeitig an. Warmer Dampf stieg auf. Es sah aus, als hätte ein Ungeheuer seinen Atem ausgestoßen.
Anita Marquez schaute auf die Normaluhr an der Wand. In zehn Minuten hatte sie ihre Schicht hinter sich und war froh darüber. Je älter sie wurde, um so mehr schlauchte sie die Arbeit. Sie war über fünfzig und eben nicht mehr die Jüngste.
Die Maschine arbeitete gut. Anita konnte zufrieden sein. Das Wäschestück war faltenlos gebügelt worden. Nur an den Rändern, wo sich die Spitze befand, gab es noch einige Knicke, die plättete Anita mit einem Dampfbügeleisen. Sie waren noch immer die besten, doch das Bügeln mit der Hand ging ganz schön in die Arme.
Einige Minuten nach der offiziellen Zeit stellte sie die Bügelmaschine aus. Ende für sie, Ende der gesamten Schicht. Erst am nächsten Tag würde der Betrieb wieder aufgenommen werden.
Die Arbeiterinnen waren schon weg. Es gab außer ihr noch drei. Anita schaute, bevor sie in den Umkleideraum ging, noch einmal im Büro vorbei, wo Mauro Costa zusammen mit
Weitere Kostenlose Bücher