Gier nach Blut
seiner Frau saß und über irgendwelchen Rechnungen brütete.
Anita konnte eintreten, ohne daß sie störte. »So, für heute ist alles klar.«
Die Costas schauten hoch. »Wann bist du morgen wieder da, Anita?«
»Wann soll ich kommen?«
Mrs. Costa lächelte. »Am liebsten wäre uns die Frühschicht. Wir haben einen neuen Kunden aufgetan. Schon sehr früh wird eine Ladung Wäsche hier eintreffen, die rasch gewaschen werden muß. Das Zeug stammt aus einer Großkantine. Uns wäre es lieb, wenn du mithelfen könntest, das zu überwachen.«
»Mach ich doch glatt.«
»Danke, das ist nett.«
Anita winkte ihnen zu. »Bis morgen dann.«
»Okay, und schönen Abend noch.«
»Euch auch.«
Es gab einen kleinen Raum, der wurde von den Arbeiterinnen als Umkleidekabine benutzt. Die anderen waren längst verschwunden. Anita befand sich allein zwischen den Spinden, Spiegeln und Waschbecken.
Sie war froh, den Kittel ausziehen zu können, und sie stöhnte leicht, als sie ihn auf den Haken hängte. Der Rücken tat ihr weh, der Nacken war auch verspannt. Wenn sie den Kopf in eine bestimmte Richtung drehte, spürte sie ein Ziehen. Es wurde Zeit, daß sie sich mal wieder massieren ließ. Im Spiegel sah sie ihr Gesicht.
Manche Frauen in ihrem Alter sahen besser aus als sie. Die aber hatten es dann gut, konnten sich pflegen und brauchten nicht jeden Tag stundenlang zu arbeiten. Die Haut war gealtert, grau und faltig geworden. Ihr fehlte die Sonne, ihr fehlte der Urlaub irgendwo im Süden.
Mal drei Wochen einfach ausspannen, das war wie eine Frischzellenkur.
Den Kittel hatte sie mit einem Mantel vertauscht. Da Anita geschwitzt hatte und sie die Feuchtigkeit auf der Kopfhaut spürte, band sie sich noch ein Tuch um und knotete es unter dem Kinn fest. Das Wetter war wie immer viel zu kühl. Daran würde sie sich nie gewöhnen können.
Anita Marquez verließ ihre Arbeitsstelle durch eine Hintertür. Sie mußte über einen kleinen Hof gehen, um auf die Nebenstraße zu gelangen. An diesem Tag war sie zu Fuß. Oft fuhr sie ja mit dem Rad, aber ein Reifen war von irgendwelchen ›Spaßvögeln‹ zerstochen worden, die wahrscheinlich nur die Schärfe ihrer Messer ausprobieren wollten und über irgendwelche Folgen nicht nachdachten, weil in ihren Köpfen nur Stroh wuchs.
Anita hoffte, in den nächsten Tagen Zeit zu finden, um das Rad wieder in Ordnung zu bringen.
In der Gasse wehte ein kühler Wind. Er drang auch durch den Wollstoff des Mantels. Die Häuser, die hier standen, hatten auch ihre Jahre auf dem Buckel, und so sahen sie auch aus. Ein einheitliches schmutziges Grau, nur unterbrochen von oft blinden Scheiben. Wer hier wohnte, gehörte nicht eben zu den Begüterten.
Anita war in Gedanken versunken, als sie über den schmalen Gehsteig schritt. Auf ihre Umgebung achtete sie nicht. So fiel ihr auch nicht der Transit auf, dessen Ladefläche nicht einsehbar war. Der Wagen parkte zwischen zwei anderen, die kleiner waren.
Die Hintertür flog auf! Anita sah es, aber sie begriff es nicht. Erst als der Mann plötzlich vor ihr stand, wurden ihre Augen groß. Der Mund öffnete sich zu einem Schrei, aber da war die Pranke, die ihr den Mund verschloß. Perez hatte leichtes Spiel. Die Frau erstarrte in seinem Griff.
Die linke Hand hatte er noch frei.
Damit schlug er zu.
Genau dosiert, nicht zu hart, aber die Frau erschlaffte, und genau das hatte er gewollt. Bevor sich Anita versah, wurde sie bereits angehoben und in den Wagen geschoben. Perez hämmerte die Tür zu und schloß ab.
Er war zufrieden. Sekunden später saß er hinter dem Steuer. Neben ihm hockte Jorge Ruiz.
»Alles klar?«
»Noch klarer. Sie hat überhaupt nichts mitbekommen.«
Jorge lachte leise und streckte sich. »Unsere Freundin wird sich freuen.«
»Das denke ich auch. Bleibt es bei dem Plan?«
Ruiz schaute auf seine Uhr. »Wir werden die Zeit hier abwarten. Erst wenn wir sicher sein können, daß sie kein normaler Mensch mehr ist, fahren wir los.«
Perez nickte. Die Freude seines Chefs konnte er nicht teilen. Ihm war der Fall einfach zu unheimlich…
***
Anita Marquez hatte überhaupt nicht richtig mitbekommen, was mit ihr geschah. Es war einfach zu schnell abgelaufen. Plötzlich war der Mann bei ihr gewesen. Er hatte sie gepackt, herumgezerrt, sie geschlagen, und von diesem Moment an waren die Lichter bei ihr verloschen. Die Frau kam erst wieder richtig zu sich, als sie auf der dunklen Ladefläche lag und das Gefühl hatte, ihr Kopf wäre auf das Doppelte
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