Gier nach Blut
räusperte sich. »Ja, Mutter!« rief sie. »Ich wollte mich nur erkundigen, ob bei dir alles geklappt hat.«
Nach dieser Frage mußte sich Elvira einen Redeschwall ihrer Mutter anhören. Anita Marquez sprach so laut, daß ich mithören konnte, verstand aber nichts, denn sie redete spanisch – und das noch sehr schnell.
Ich wandte mich an die alte Ricca. »Glaubt Ihre Tochter ebenfalls an den Fluch?«
Die Frau schaute mich länger und auch irgendwie bedauernd an. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, wohl nicht. Wir haben es versucht, wir haben mit Anita gesprochen, meine Enkelin und ich, aber meine Tochter zeigte sich verstockt. Sie wollte von all dem nichts wissen. Sie hat auch mit ihrer Heimat gebrochen. Sie will nichts mehr damit zu tun haben. Diese Zeit ist für sie vorbei.«
»So etwas hätte ich eigentlich von Elvira erwartet.«
Die Frau lächelte. Dabei zuckte die weiche Haut um ihre Lippen. Ricca schaute zur Decke, wo einige Fliegen im Schein der ovalen Deckenleuchte hockten. »Wissen Sie, Elvira ist viel von mir erzogen worden. Ich habe ihr noch ein Stück der alten Heimat mit auf den Weg gegeben und habe auch nicht vergessen, über die alten Geschichten zu reden. Da ist einiges davon bei ihr hängengeblieben. Sie ist eine Frau, die zwar anders denkt als ich, aber tief in ihrem Innern sind wir beide doch gleich, sage ich mal.«
»Das mag möglich sein.«
Die alte Frau lächelte mich an. »Gefällt Ihnen mein Enkelkind?«
»Ja, sie ist sehr hübsch.«
»Und sie ist nicht verheiratet. Eine junge Frau in ihrem Alter sollte verheiratet sein, meine ich. Leider denkt Elvira anders darüber. Sie haben auch keine Ehefrau, John?« Jetzt siezte sie mich wieder.
Ich mußte lächeln. »Richtig. Ich bin Junggeselle.«
»Aber du bist Polizist.«
»Ich kann es nicht leugnen.«
»Dann verstehe ich es. Ein Mann, der gefährlich lebt, sollte Rücksicht nehmen und es sich überlegen, ob er überhaupt eine Familie gründet.«
»Bitte, Großmutter.« Elvira hatte aufgelegt und kam händeringend auf uns zu. »Nicht schon wieder. Versuchst du immer noch, mich an den Mann zu bringen?«
»Du kennst meine Ansichten.«
Elvira streichelte die Wangen der alten Frau, die trotz ihrer Jahre noch hellwach war. Ein wenig verglich ich sie mit der Horror-Oma, auch wenn sie um einiges jünger war. »Ich habe mich entschlossen, meinen Weg zu gehen. Und wenn der Richtige diesen Weg kreuzt, werde ich sicherlich nicht nein sagen.«
Das Gesicht der alten Frau wurde traurig. »Hoffentlich erlebe ich das noch.«
»Du wirst bestimmt hundert Jahre alt.«
Ricca mußte lachen. »Hör auf, mein Kind, ich werde nicht so alt. Du darfst auch nicht vergessen, wer uns da bedroht.«
»Womit wir wieder beim Thema wären«, sagte ich zu Elvira gewandt.
»Was meint Ihre Mutter da?«
»Nichts.«
In meinen Augen funkelte der Spott. »Nun, das hat sich für uns anders angehört.«
»Mag sein, John. Aber meine Mutter hat wirklich nichts gesagt, was von Bedeutung gewesen wäre. Sie ist eine Frau, die es nicht wahrhaben will, von einer Gefahr aus der Vergangenheit bedroht zu werden. Sie denkt extrem realitätsbezogen. Vielleicht weil sie zu der Generation gehört, die zwischen uns steht, die ihr ganzes Leben nur geschuftet hat und sich dabei um nichts anderes Gedanken machen konnte. So müssen wir meine Mutter sehen. Sie hat auch die Verbindungen zu ihrer Heimat nicht mehr gepflegt. Des öfteren treffen wir uns noch bei dem einen oder anderen in der Wohnung. Meine Mutter ist nie mitgegangen. Sie wird für uns auch keine Hilfe sein.«
»Furcht hat sie nicht?«
»Nein.«
»Dann hoffen wir, daß sie bald hier erscheinen wird.«
Elvira schaute auf die Uhr. »In einer guten Stunde können wir mit ihr rechnen.«
Ich deutete auf das Telefon. »Darf ich mal mit meiner Dienststelle telefonieren?«
»Natürlich. Warum fragen Sie?«
»Reine Gewohnheit.«
Ich stand auf und hörte die alte Ricca flüstern. »Er ist eben gut erzogen, Kind. Du solltest es dir mit der Heirat jetzt wirklich überlegen.«
Ich lächelte, als ich den Hörer aufnahm. Wenig später fror dieses Lächeln ein, um dann völlig zu verschwinden, denn von Sir James erfuhr ich, was Suko erlebt hatte.
»Verdammt!« entfuhr es mir. »Da ist dieses Blutweib doch freigekommen.«
»Es sieht so aus.«
Ich räusperte mich. »Hat Suko mehr über die Pläne der anderen Seite erfahren können?«
»Nein, er hat kein Wort mit diesem Ruiz gesprochen. Er hat sich nur darüber gewundert, daß
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