Gier nach Blut
Rändern der Wunde ab. Ich schloß der Frau die Augen und dachte daran, daß ich nur einen Teilerfolg errungen hatte.
Die wirklich gefährliche Blutsaugerin befand sich nach wie vor auf freiem Fuß, und das wiederum paßte mir überhaupt nicht. Ich würde sie und auch die Familie Ruiz suchen müssen. Daß sie schnell mit der Waffe zur Hand waren, hatte ich bemerkt.
Ein Lichtstrahl tanzte über das schmutzige Pflaster des Hofs. Ich hörte zugleich Tritte und drehte mich um.
Zwei Frauen kamen auf mich zu. Elvira hielt die Lampe und stützte ihre Großmutter. Beide blieben stehen, als der Kegel die einsam am Boden liegende Gestalt erreichte. Er strahlte direkt in ihr Gesicht und ließe es noch blasser erscheinen.
»Sie wird nicht mehr aufstehen – oder?«
»So ist es, Ricca. Ich habe sie erlöst.«
»Erschossen?«
»Ja.«
»Es war die beste Lösung. Ich glaube, ich hätte es nicht ertragen können, meine Tochter zu meinen eigenen Füßen gepfählt am Boden liegen zu sehen. Nein, das wäre schlimm gewesen.«
Ich konnte sie verstehen und begriff auch, daß sie endlich weinen mußte.
Elvira tat es nicht. Sie stand auf dem Fleck wie in Bronze gegossen. Ihr Blick war in die Ferne gerichtet. Trotz der weitaufgerissenen Augen sah sie bestimmt nichts von ihrer Umgebung. »Sie haben es also getan, John, und es war gut, denn so haben Sie uns vorläufig gerettet. Sie wissen, weshalb ich das so ausspreche.«
»Natürlich. Unsere Hauptfeindin ist verschwunden. Einer ihrer Helfer hat zudem auf mich geschossen.«
»Wir hörten die Schüsse selbst oben in der Wohnung. Was werden Sie jetzt tun?«
»Es gibt nur eine Antwort. Ich werde mir Sarah Helen Roberts holen müssen.«
»Ja, das stimmt. Aber Sie wissen, daß sie Schutz hat.«
»Ich werde auch nicht allein sein.«
»Nicht?« fragte sie mit einem seltsamen Unterton in der Stimme und legte den Kopf schief.
»Eigentlich hätte mein Freund und Kollege Suko schon längst hier sein müssen. Wenn er nicht kommt, werde ich den Weg allein gehen müssen.«
»Suko?« fragte Elvira.
»Ja, er ist Chinese. Ein Teufelskerl und…«
Heller Lichtschein fiel über den Hof. Er drang aus der Einfahrt, denn von dort kam ein Wagen. Es war Suko, der in den Hof einfuhr, bremste und aus dem Fahrzeug hechtete, als er uns gesehen hatte. Er stellte zunächst keine Fragen, schaute auf die Tote, dann auf uns und nickte.
»Ich kann mir denken, was passiert ist.«
»Eine Untote weniger.« Ich stellte anschließend Elvira und Ricca vor und erklärte Suko mit wenigen Worten die Zusammenhänge.
»Gut«, sagte er, »wir lassen die Leiche abholen und fahren anschließend zu Ruiz. Weißt du, wo er wohnt?«
»Nein!«
»Aber ich«, sagte Elvira. Ihr Tonfall ließ uns beide aufhorchen. »Ich weiß es, und ich werde Sie hinführen.«
Mit dem Zeigefinger kratzte ich an mein Kinn. »Das heißt, Sie wollen mit?«
»So ist es!« Sie schaute mich hart an. »Ich denke, daß ich ein Recht darauf habe. Schließlich habe ich meine Mutter verloren, und es waren keine normalen Umstände, wie Sie selbst erlebt haben. Ich möchte einfach dabeisein, wenn der wahre Mörder meiner Mutter gestellt und auch vernichtet wird.«
Klare Worte, denen wir nichts hinzuzufügen hatten. Elvira aber wartete auf unsere Antwort. »Okay?«
Suko und ich nickten…
***
»Wenn wir jetzt nicht die Nerven bewahren, geht alles den Bach hinunter, trotz der neuen Hilfe.« Diese Worte hatte Jorge Ruiz gesagt, als er aus dem Wagen gestiegen war, um die Tür zur Ladefläche zu öffnen.
»Es wird schon alles werden, Jefe.«
Ruiz ging auf die Worte seines Leibwächters nicht ein. Er schaute zu, wie die Blutfrau den Wagen verließ. Angst vor irgendwelchen Zeugen brauchten die Männer nicht zu haben. Dagegen sprachen drei Gründe.
Erst einmal war das Grundstück ziemlich groß und relativ dicht bewachsen, zum zweiten lag die Zufahrt zur Garage recht einsam, und zum dritten hatte Ruiz dem Personal freigegeben. Er und Perez waren ungestört.
Die Blutsaugerin hatte sich aus der Dunkelheit der Ladefläche gelöst. Sie schlurfte nach vorn und war zufrieden, daß draußen bereits die Nacht ihr dunkles Tuch ausgebreitet hatte. Zudem ballten sich am Himmel Wolken zusammen, so daß auch das Licht der Gestirne verschluckt wurde. Eine derartige Nacht kam Vampiren entgegen. Um sie perfekt zu machen, hätte noch der Vollmond am Himmel stehen müssen. Der aber hatte sich zur Form eines Halbmonds entschieden.
»Hier wirst du bleiben«, sagte Ruiz.
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