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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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nun etwas eingehender, ihren dunklen südländischen Teint und ihre klaren braunen Augen, die eine gewisse Schärfe ausstrahlten, die wahrscheinlich durch ihre Arbeit im Finanzdistrikt Manhattans geprägt worden war. Strenger Businessdress, im Fitnessstudio gestählter Körper. Potenzielle Essstörungen.
    Â»Ich vermute, es gibt einen besonderen Grund dafür, dass wir uns ausgerechnet hier treffen«, sagte Kowalewski. Ȇbrigens, einen Kaffee vielleicht?«
    Â»Gerne einen Latte macchiato«, antwortete Hannah Rowlins. »Ja, es gibt einen besonderen Grund. Aber der ist rein persönlicher Natur. Ich wollte einfach sehen, wie weit sie bereits vorangekommen sind. Da drinnen soll ja ein völlig neues World Trade Center aus dem Boden gestampft werden. One World Trade Center, soll es heißen. Ein riesiger Wolkenkratzer in derselben Höhe wie die Twin Towers. Plus einem siebzehnhundertsechsundsiebzig Fuß hohen Mast an der Spitze. Siebzehnhundertsechsundsiebzig, dem Jahr der Unabhängigkeit zu Ehren.«
    Â»Sie sind ziemlich gut informiert«, bemerkte Kowalewski im selben Augenblick, als es ihm gelang, eine Bedienung zu sich zu winken und zwei Latte macchiato zu bestellen.
    Â»Alle Leute in New York sind gut informiert«, entgegnete Rowlins und zuckte mit den Achseln. »Hier war schließlich alles zerstört. Ich selbst habe es vom Kai in Brooklyn aus gesehen. Ich wohne in Williamsburg.«
    Kowalewski nickte. Dann fragte er: »Und was haben Sie in Polen gemacht?«
    Hannah Rowlins lachte erneut. Ihr Lachen war ziemlich ansteckend.
    Â»Sie meinen abgesehen von der Tatsache, dass ich mich von einem Frauen misshandelnden Kleinkriminellen habe besteigen lassen?«
    Marek Kowalewski beschlich ein äußerst merkwürdiges Gefühl. Er besaß bereits von Natur aus ein leicht rot angelaufenes Gesicht, das ihn in seiner Jugend immer wieder irritiert hatte, aber rot wurde er nur noch sehr selten. Genau das passierte ihm jedoch jetzt. Er kam sich vor wie der Cousin vom Lande. Der Oststaatenbauer in Manhattan.
    Â»Ja«, antwortete er, um der Röte entgegenzuwirken. »Abgesehen davon.«
    Â»Ich arbeite in diesem Teil von Manhattan«, sagte sie ruhig. »Im Finanzdistrikt. Ich leite eine Kleiderboutique, die Mode für Geschäftsfrauen verkauft. Ich konnte vor dem Spätherbst keinen Urlaub machen. Also entschieden eine Freundin und ich uns für eine Europareise. Wir fuhren einen guten Monat lang über den Kontinent in Richtung Norden, von Sizilien aus bis nach Nordfinnland. Krakau lag sozusagen schlicht und einfach auf dem Weg. Schöne Stadt. Allerdings mit ekelhaftem Bisonwodka.«
    Â»Und der Bisonwodka war also der Grund dafür, dass Ihr Urteilsvermögen Sie im Stich gelassen hat?«
    Â»Gemixt mit Apfelsaft ist er absolut tödlich«, sagte Rowlins, ohne mit ihrem Blick auszuweichen.
    Â»Anders kann man dieses teuflische Zeug doch gar nicht trinken«, lachte Kowalewski befreit. »Ich bin mit Bisonwodka aufgewachsen und habe den Fusel nur allzu oft erbrochen, um ihn jemals wieder probieren zu wollen.«
    Â»Sie sind inzwischen Europäer?«, fragte Rowlins und lächelte breit.
    Â»Genau«, antwortete Kowalewski und lächelte ebenso breit.
    Â»Von der operativen Einheit, Europol, right?«
    Kowalewski spürte, wie ihm das Lächeln verging. In einer etwas anderen Situation hätte er sich womöglich von der mündlichen Verbreitung von Informationen über den Erdball im postindustriellen Zeitalter faszinieren lassen. Wie sich doch ein kleines, noch so unbedachtes Wort, geäußert im Rausch der Glückseligkeit, bis in einen anderen Erdteil hinein vorarbeitete, sich in eine Weltstadt hineinbohrte, und schließlich endgültig und unwiderruflich ausgesprochen war.
    Â»Es gibt keine solche Einheit«, antwortete er. »Aber es ist richtig, dass ich für Europol arbeite.«
    Â»Und man bezahlt Ihnen eine Reise nach New York, um ein falsches Gerücht aufzuhalten? Aha. Sehr glaubwürdig.«
    Â»Ich bin nicht deswegen hier«, entgegnete Kowalewski. »Ich bin hier, um dem Weg des Gerüchts zu folgen. Sie brauchen keinesfalls über Radoslaw Trzciński aus Krakau zu sprechen, wenn Sie nicht möchten, aber ich fände es nett, wenn Sie mir sagen würden, wohin das Gerücht weitergezogen ist.«
    Â»Also wem oder welchen Personen ich es weitererzählt

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