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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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hingegen bin allerdings davon überzeugt, dass er als Kind selbst gemobbt wurde. Vielleicht aufgrund irgendeiner Form des Verrats an einem Ehrenkodex der Mafia. Außerdem hatte er ja nicht ganz unrecht.«
    Â»Wie bitte? In welcher Hinsicht?«
    Â»Ein wenig bist du schon eine Prinzessin auf der Erbse.«
    Jutta Beyer fiel für einen kurzen Augenblick die Kinnlade herunter, dann sah sie Söderstedts scheues Lächeln. Sie versetzte ihm einen Knuff gegen den Oberarm und sagte: »Komm jetzt, wir haben weiß Gott anderes zu tun, als hier zu sitzen und uns zu bemitleiden.«
    Arto Söderstedt stand auf, warf einen Blick auf einen zerknitterten Post-it-Zettel, den er aus seiner Hosentasche gefischt hatte und fragte: »Du meinst ›ksangpudygrgymongultjudygnialkridingyljiang‹?«
    Â»Genau«, antwortete Jutta Beyer. »Aber zuerst muss ich noch ein paar Informationen über den Atlantik schicken.«

Ground Zero
New York, 11. April
    Es muss der Sommer sein, der da vom Atlantik her hereinbricht. Es ist, als würde jemand ein Stemmeisen in den grauen Morgenhimmel rammen und die Wolkendecke aufbrechen. Woraufhin hellblaue Flecken durch die Risse sickern und den Weg für eine nahezu labyrinthförmige Anordnung von Lichtsäulen bereiten, die eine nach der anderen vom Himmelsgewölbe herabschießen. Die Sonne scheint während ihrer langen Abwesenheit Kraft gesammelt zu haben und schickt ihre Strahlen jetzt mit neuer Energie auf die Erde.
    Das Merkwürdige ist, dass es ausgerechnet hier geschieht. Er sitzt in der Bar des Millennium Hilton in der Church Street, die sich einige Stockwerke über dem Erdboden befindet, und wartet. Er blickt geradewegs über Ground Zero hinweg. Die gesamte Fläche ist noch immer eine Baustelle. Während der lähmenden Jahre danach scheint sich nicht viel getan zu haben. In den Jahren, in denen es keiner begreifen konnte.
    Marek Kowalewski war in seinem Leben noch nicht sehr weit herumgekommen. Das polnische Polizeigehalt, von dem er sein gesamtes erwachsenes Leben bestreiten musste, hatte ihn nicht gerade in die Umlaufbahn um den Erdball katapultiert. Zu den einstürzenden Zwillingstürmen hatte er keinerlei Beziehung. Er war nicht älter als zwanzig, als der Rauch über Manhattan aufstieg, und da wusste er mit Müh und Not, wo Manhattan lag.
    Doch jetzt, als sein Blick über das weitläufige und dennoch klar abgegrenzte Gebiet schweifte, und er sah, wie sich das eigenartige Labyrinth aus Licht über den rudimentären Fundamenten auf der Baustelle abzeichnete, begriff er, was für eine Bedeutung dieses Erdloch in der Weltstadt haben musste.
    Â»Erstaunlich, oder?«, fragte eine weibliche Stimme direkt neben seinem rechten Ohr. Er drehte sich um und erblickte eine elegante Frau in den Dreißigern mit dunklem Teint, die ihm ihre Hand entgegenstreckte. Er ergriff sie und schüttelte sie, und erst, als er sie wieder losließ, wurde ihm klar, wen er gerade begrüßt hatte.
    Â»Hannah Rowlins?«, vergewisserte er sich und blickte die Frau an, die er nur schwerlich mit dem Kleinkriminellen Radoslaw Trzciński aus Krakau zusammenbringen konnte.
    Sie nahm neben ihm Platz, sodass sie in dieselbe Richtung schaute wie er.
    Â»Es gibt immer noch Leute, denen es schwerfällt zu begreifen, dass hier der Ort war, an dem alles passiert ist«, sagte Hannah Rowlins. »Drei gigantische Gebäude sind eingestürzt – denn es waren schließlich drei, das darf man nicht vergessen – und alle sind geradewegs in sich zusammengefallen, ohne auch nur im Geringsten zur Seite zu kippen. Fakt ist, dass ansonsten große Teile Manhattans zerstört worden wären.«
    Â»Das verstehe ich nicht ganz«, gab Kowalewski aufrichtig zu.
    Â»Es ist eine lange Geschichte«, begann Rowlins. »Die Twin Towers besaßen eine Stahlkonstruktion. Stahl schmilzt nicht gerade leicht. Jedenfalls ist noch keine andere Stahlkonstruktion auf der Welt eingestürzt, weil der Stahl geschmolzen wäre. Aber hier waren es drei, am selben Tag. Und der Stahl ist außerdem vollkommen regelmäßig geschmolzen, sodass alle drei Gebäude eleganter in sich zusammenfielen als bei einem geplanten Abriss.«
    Â»Das ist es also, was die Konspirationstheorien auslöst, oder?«, fragte Kowalewski und bereute es sofort.
    Aber Hannah Rowlins lachte lediglich laut auf und erwiderte: »Genau.«
    Er betrachtete sie

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