Gier
Chavez nahmen Platz und warteten, bis Bergmanis sich ebenfalls gesetzt hatte. Er lieà sich schwer und mit einem tiefen Seufzer auf seinem Stuhl nieder.
»Es freut mich, dass wir hier im Polizeigebäude sind«, sagte Bergmanis und schien sich etwas zu fangen. »Sie hätten schlieÃlich auch irgendwelche internationalen Verbrecher sein können. Aber jetzt ahne ich, dass Sie zumindest bei der Polizei arbeiten.«
»Ahnen Sie auch, was wir von Ihnen wollen?«, fragte Balodis.
Bergmanis schüttelte den Kopf, etwas länger als nötig.
»Ich nehme an, es ist keine gute Idee, Sie zu bitten, sich auszuweisen?«, fragte er schlieÃlich.
»Eher nicht«, antwortete Balodis.
»Warum habe ich nur das merkwürdige Gefühl, in einem Roman von Kafka zu sein? âºJemand musste Kristaps B. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.â¹Â«
»Sie haben also nichts Böses getan?«, fragte Balodis.
»Vermutlich eine ganze Menge«, meinte Bergmanis, »aber definitiv nichts Kriminelles. Ich sitze schlieÃlich in der Regierung.«
»Und Regierungen begehen ja nie kriminelle Handlungen«, fügte Chavez hinzu, woraufhin ihm Bergmanis einen kritischen Blick zuwarf.
»Man könnte durchaus sagen, dass es mein Job ist, dafür zu sorgen, dass die Regierung keine kriminellen Handlungen begeht. Jedenfalls im Umweltbereich.«
»Umso bemerkenswerter, dass Ihr Computer mehrmals in direktem Kontakt zur italienischen Mafia gestanden hat, und zwar in Bezug auf folgenschwere Giftverklappung in den lettischen Gewässern«, sagte Chavez.
Es war ein merkwürdiger Anblick, zu sehen, wie Kristaps Bergmanis blass wurde, ohne dabei auch nur eine Miene zu verziehen. Obwohl sein nachdenklicher Gesichtsausdruck keinerlei Anzeichen eines Schocks zeigte, wurde er kreideweiÃ. Dann nickte er sachte.
»Ich verstehe«, sagte er leise.
»Was verstehen Sie?«, fragte Balodis ebenso leise.
»Gewisse ... Diskrepanzen ...«
»Erklären Sie es näher.«
»Die Berichte waren in der letzten Zeit verspätet.«
»Ãber die Wasserproben?«
Jetzt richtete sich Kristaps Bergmanisâ klarer Blick auf Laima Balodis. »Sie sind doch Litauerin, oder?«, fragte er.
»Was hat das mit der Sache zu tun?«
»Ihr Akzent hat einen etwas anderen Klang, als wenn wir Letten Englisch sprechen. Und es hat sehr wohl etwas mit der Sache zu tun. Alle baltischen Staaten sind lange Zeit beschuldigt worden, den Löwenanteil der Abwässer zu erzeugen, die in die Ostsee flieÃen. Aber es hat sich gezeigt, dass dem nicht so ist. Die schwedische Landwirtschaft ist ein bedeutend gröÃerer Verunreiniger. Von den Abwässern aus Sankt Petersburg, die in den Finnischen Meerbusen flieÃen, ganz zu schweigen. Sowohl Sie als auch ich waren stets falschen Anschuldigungen ausgesetzt. Sowohl Sie als auch ich wissen, wie extrem sensibel unsere verhältnismäÃig kurzen Küstenlinien sind. Sowohl Sie als auch ich wissen, dass wir uns in der Tat bemühen â auch in Krisenzeiten â die Küste sauber zu halten. Wir entnehmen regelmäÃig Wasserproben. Sie werden direkt an das Umweltministerium geschickt. Und wenn es nötig ist, Alarm zu schlagen, dann schlagen wir Alarm.«
»Und in der letzten Zeit kamen die Wasserproben verspätet? Wie viel?«
»Höchstens einen Tag, wenn Sie diesen Zeitraum meinen. Seit einigen Monaten, wenn Sie das meinen. Ich habe nicht näher über die Sache nachgedacht, da es sich ja immer nur um geringfügige Verspätungen handelte. Aber jetzt ahne ich, dass genau in dieser Zeit die Zahlen frisiert wurden.«
»Genau das ahnen wir auch«, bestätigte Laima Balodis, »allerdings ahnen wir, dass Sie die Zahlen frisiert haben.«
»Ich verstehe«, sagte Bergmanis, in dessen immer noch nachdenkliches Gesicht langsam die Farbe zurückkehrte.
»Und wie erklären Sie, dass Ihr Computer in direktem Kontakt zur italienischen Mafia gestanden hat?«, fragte Balodis.
»Jetzt ist mir klar, wer Sie sind.« Bergmanis nickte.
»Und wer sind wir?«
»Sie sind von Europol. Gehören Sie der neuen Testgruppe an?«
Balodis und Chavez wechselten einen raschen Blick. Dann fragte Balodis: »Kann es sein, dass sich irgendjemand Zugang zu Ihrem Computer verschafft hat?«
»Sie haben also
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