Gier
hin und wieder Drohungen, wie fast alle Politiker. Aber nachdem ich ein wenig nachgedacht habe, erinnere ich mich an einen besonderen Vorfall. Es könnte, tja, die Mafia gewesen sein. Wie Sie vielleicht wissen, habe ich mich ja für eine stärkere Ãberwachung der Küstenlinie eingesetzt, es gibt eine spezielle Umweltpatrouille, die das Risiko, dass Unbefugte heimlich Giftstoffe in lettische Gewässer einleiten, minimieren soll. Diesbezüglich habe ich vor einem Monat eine Brandrede im Reichstag gehalten. Kurz danach habe ich einen sehr bedrohlichen Anruf erhalten, in dem mir nahegelegt wurde, mich nicht in Dinge einzumischen, die mich nichts angingen. Man hat mir vor Augen geführt, was mit all meinen Anverwandten und Freunden geschehen würde, wenn ich weitermachte. In allen Einzelheiten und mit der Erwähnung von Namen.«
»Das kommt mir irgendwie bekannt vor ...«, sagte Chavez.
»Mir scheint das Ganze jedoch noch eine Nummer gröÃer zu sein«, merkte Bergmanis an. »Sie würden sich nicht so viel Mühe machen, nur um mich zum Schweigen zu bringen. Dafür bin ich ein zu kleines Licht. Sie haben zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, von denen ich die bedeutend kleinere bin. Es irritiert einen zwar ein wenig, aber nicht wesentlich.«
»Und wer, bitte, ist die gröÃere Fliege?«, fragte Chavez.
»Zweifellos Lettland«, antwortete Bergmanis und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Wenn herauskommt, dass ein führender Politiker sein eigenes Land vergiftet hat, ist Schluss. Keiner der ausländischen Investoren wird noch Vertrauen in uns haben. Der gesamte wirtschaftliche Kreislauf wird sofort ins Stocken geraten. Sie werden unser Land in die Insolvenz treiben.«
»Aber warum?«, fragte Balodis. »Was hat die italienische Mafia davon?«
»Tja«, antwortete Bergmanis. »Wenn die öffentliche Hand ausgeschaltet wird, ist zum Beispiel die Küste völlig unbewacht.«
»Aber dann müsste ja bedeutend mehr als Giftverklappung auf dem Spiel stehen«, mutmaÃte Balodis.
»Das denke ich auch«, pflichtete ihr Bergmanis bei. »Aber ich weià nicht genau, was. Was war, historisch gesehen, die wichtigste internationale Funktion von Riga und Lettland? Genau, es waren die Handelswege nach Osten.«
»Aha«, sagte Chavez. »Wie ein weiser Mann einmal gesagt hat: âºDerjenige, der Riga kontrolliert, kontrolliert auch die Handelswege von Russland und Asien aus.â¹Â«
Er spürte, wie sich Bendiks Vanagsâ stahlgraues Lächeln durch das verspiegelte Fenster bohrte.
»Eines bleibt uns noch«, sagte Laima Balodis und öffnete Kristaps Bergmanisâ umfangreiches Portemonnaie.
»Ich habe dort irgendwo eine Notrufnummer des Sicherheitsunternehmens stecken. Eine Visitenkarte. Wir haben jeder eine bekommen. Falls wir beispielsweise aus Versehen Alarm auslösen sollten.«
»Hier ist sie«, sagte Balodis und hielt ein Kärtchen hoch.
Darauf stand in der Tat eine Telefonnummer. Aber es war das Logo, das ihre Aufmerksamkeit erregte.
Es hatte die Form eines fetten goldenen A, dessen quer verlaufender Strich ein Stück schwarzen Stacheldraht darstellte, das an beiden Enden herausragte.
»âºAsterion Security Ltd.â¹Â«, las Laima Balodis vor.
Das Schloss
Basilikata, 12. April
Das kleine Schloss lag dort oben wie ein betagtes, aber uneinnehmbares Fort. Es war früher Morgen, und sie kauerten am Waldrand, die Blicke den Hang hinauf gerichtet. Die Sonne war noch nicht über den Felskamm gestiegen. Der Wald duftete extrem nach Erde und Pinien. Eine Waldtaube gurrte laut, woraufhin einige Waldmäuse rasch vorbeihuschten und in unsichtbaren Löchern verschwanden.
Lavinia Potorac ging den Plan im Geiste noch einmal durch. Sie tat es nicht zum ersten Mal. Sie hatte die ganze Nacht über nicht geschlafen. Gerne hätte sie ihre Schlaflosigkeit auf die ausdauernde Eule auf dem Dachgiebel geschoben, die sie mit ihrem Schrei wachgehalten hatte, oder auf die Kälte, die in der Waldhütte immer unbarmherziger wurde, je weiter die Nacht voranschritt, aber im Grunde wusste sie, was sie wach hielt. Sie hatte sich bemüht, es nicht in Worte zu fassen â dennoch tat sie die ganze Nacht über genau das:
Sie waren zwei Personen und wollten einen Angriff auf die Mafia starten.
Man konnte die Sache in der Tat nicht anders formulieren.
Um diesen Gedanken zu
Weitere Kostenlose Bücher