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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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anderen auch.
    Sie zog ihre große rote Reisetasche durch den Zoll, zeigte ihren Pass an der Passkontrolle vor, und schon war sie draußen. In Peking.
    Wang Yunli blieb unmittelbar vor dem Eingang unter dem von Abgasen grau gefärbten Aprilhimmel stehen. Plötzlich konnte sie sich nicht mehr bewegen.
    Drei große Busse fuhren gerade vor. Wie auf ein Zeichen hin öffneten sich die Türen der Busse, und hinaus drängte ein buntes, wildes Gewimmel. Als würden Hunderte von Kaulquappen gleichzeitig schlüpfen und so das Wasser am Fließen hindern. Plötzlich stand Wang Yunli inmitten von unzähligen fröhlichen Zehnjährigen. Sie hüpften, schrien und lachten. Sie streckte die Hände nach ihnen aus. Aber keines kam zu ihr. Keines sprang ihr in die Arme. Keines berührte auch nur ihre Hände.
    Sie war allein, vollkommen allein.
    Und ihr Blick wurde von der Ewigkeit verschluckt.

Wegkommen
Den Haag, 19. April
    Mark Payne betrachtete seine Familie. Ihm war eigenartig zumute. Alles war extrem zweischneidig. Zum einen hatte er sie in Lebensgefahr gebracht. Zum anderen hatte er ihnen das Leben gerettet. Und zum dritten zwang er sie jetzt, ihre Identität zu wechseln und ins Ausland zu ziehen.
    Er begegnete dem Blick seiner Frau. Er war nur schwer auszuhalten. Doch umgekehrt wäre er ohne seine Familie inzwischen tot. Ohne seine Frau und Ethan und Olivia. Er tat es für sie. Aber wie sollte er ihnen das erklären? Ohne sie mitschuldig zu machen? Denn das waren sie nicht.
    Mark nahm Olivia hoch und küsste sie auf die Wange. Dann ergriff er die Hand seiner Frau. Ethan klemmte sich zwischen sie. Sie warteten.
    Sie warteten in einer Art Raum, der an eine Schleuse erinnerte. Sie waren durch Schiebetüren eingetreten, die sich hinter ihnen wieder geschlossen hatten. Der Zwischenraum, in dem sie nun standen, war völlig leer. Wie in einem Vakuum. Und jetzt warteten sie vor den Schiebetüren auf der anderen Seite. Nur sie. Völlig allein.
    Vermutlich war das ein gutes Zeichen. Es waren nur wenige Leute involviert. Dementsprechend gab es nur wenig potenzielle Lecks.
    Sie waren in einem schwarzen Minibus nach Holland eingereist. Unter dem Ärmelkanal hindurch. Eine schwarze Scheibe trennte sie vom Fahrer. Sie sahen ihn nicht, und er sah sie nicht. Mark Payne spürte, wie er geradewegs in die Zukunft schaute. Es war wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film.
    Jetzt glitten die Türen auf. Die kleine Familie presste sich aneinander, rückte automatisch zusammen.
    In dem Raum dahinter saßen drei Menschen. Sie blickten sie erstaunt an. Es war ebenfalls eine Familie. Alle drei waren etwas älter als die Mitglieder der Familie Payne. Sie traten näher.
    Â»Mark Payne«, sagte Mark Payne und schüttelte dem Vater mit dem weizenblonden Haar die Hand. Man hatte ihm versichert, dass er im Moment noch seinen alten Namen verwenden konnte. Er würde ihn sowieso nie mehr benutzen.
    Der Blonde nickte. Er sah aus wie ein Segler, und seine Schneidezähne blitzten wie neu gekauft.
    Â»Carl-Henric Stiernmarck«, sagte er. »Und das hier sind meine Frau Wictoria und mein Sohn Johannes.«
    Sie begrüßten einander. Der Sohn saß mit einer akustischen Gitarre in der Hand da und zog eine verdrießliche Teenagermiene, aber in seinen Augen lag ein lebenslustiger Glanz. Die Ehefrau joggte auf der Stelle. Es sah etwas merkwürdig aus.
    Â»Gerade viel haben wir ja nicht von Den Haag gesehen«, sagte Mark Payne.
    Â»Nein«, stimmte Carl-Henric Stiernmarck zu. »Aber das war wohl Absicht. So wenig wie möglich sehen und so wenig wie möglich gesehen werden.«
    Â»Ich nehme an, dass wir hier zusammengekommen sind, um gemeinsam Instruktionen zu erhalten«, sagte Payne.
    Â»Ich denke auch«, pflichtete ihm Stiernmarck bei.
    Die beiden Männer setzten sich etwas abseits. Etwas entfernt von ihren Familien. Sie musterten einander. Schließlich lächelte Stiernmarck und sagte: »Familienvater zu sein ist heutzutage nicht mehr dasselbe wie damals, als der eigene Vater es noch war.«
    Â»Nein«, meinte Payne. »Ganz und gar nicht.«
    Â»Mein Vater hat das Unternehmen gegründet, das mein Leben ausmachte«, sagte Stiernmarck. »Das war noch die Zeit der Patriarchen.«
    Â»Mein Vater war genau wie ich Polizist«, entgegnete Payne. »Und er hat sich niemals zu kriminellen Handlungen verleiten lassen. Das waren noch andere

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