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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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wären wir nass geworden.«
    Keine der Damen auf der Rückbank antwortete, und er ahnte, dass sie amüsierte Blicke austauschten. Es war ihm egal.
    Das Taxi glitt eine Straße mit dem geschichtsträchtigen Namen Horseferry Road hinauf und bog dann in den Strutton Ground ein, wo es routiniert diversen Marktständen auswich, die in einem ziemlich unregelmäßigen Muster die Straße säumten. Hjelm war sich nicht ganz sicher, ob es erlaubt war, die Straße mit dem Auto zu passieren. Die Leute wichen zurück, als käme ein Verrückter auf sie zugerast. Das erschien ihm nicht gerade eine würdige Art zu sein, bei der Metropolitan Police vorzufahren.
    Denn jetzt waren sie angekommen. Strutton Ground ging über in den Broadway, und sie hielten genau neben dem klassischen dreiseitigen Schild, von dem behauptet wurde, dass es vierzehntausend Drehungen am Tag absolvierte und dabei ununterbrochen verkündete: »New Scotland Yard«.
    New Scotland Yard war unbestreitbar ein abschreckendes und Angst einflößendes Gebäude. Genau genommen waren es zwei Gebäude, ein extrem lang gezogenes achtgeschossiges an der Victoria Street, das auf kuriose Weise mit dem riesigen Gebäude dahinter verbunden war, einer Orgie aus Glas, Beton und rostfreiem Stahl. Hjelm und die beiden Frauen meldeten sich in der streng bewachten und gesicherten Rezeption an, und es dauerte nicht lange, bis ein alltäglich aussehender Mann um die fünfunddreißig auf sie zukam und sie in Empfang nahm. Er streckte ihnen die Hand entgegen und sagte sehr britisch: »Chief Inspector Ralph Dryden, welcome to the fortress.«
    Sie begrüßten einander, und Dryden führte sie ins Innere des Gebäudes. Sie landeten in einem engen, typischen Londoner Aufzug, in dem es etwas schwierig war, eine Unterhaltung anzufangen. Dryden schien aber ohnehin nicht besonders an Small Talk interessiert zu sein. Als sie in dem zwanzigstöckigen Gebäude eine unbekannte Anzahl von Stockwerken weiter oben schließlich wieder aus dem Aufzug herausstolperten, führte er sie ohne ein Wort einen langen Korridor entlang, der sie regelrecht verschluckte.
    Hjelm registrierte, dass das Namensschild an der Bürotür, auf dem »Ralph Dryden, Chief Inspector« stand, absolut neu aussah, und stellte fest, dass das Arbeitszimmer die typische Londoner Enge aufwies. Es war fensterlos und übersät mit Mappen, Ordnern, Loseblattsammlungen und Post-it-Zetteln. An einer Wand hingen Fotografien. Alle zeigten dieselbe Frau ohne Gesicht, in allen Stadien, angefangen von der Szenerie, wo sie künstlerisch mit dem Bettlaken drapiert am Baum lehnt, bis hin zu richtig heftigen Obduktionsbildern.
    Dryden nahm hinter seinem Schreibtisch Platz, ohne ihnen ebenfalls einen Stuhl anzubieten – es gab schlichtweg keine Sitzgelegenheiten. Er machte eine Geste in Richtung der Bildercollage, die Hjelm als resigniert deutete. Er wartete ab, auch wenn es ihm widerstrebte.
    Schließlich sagte Ralph Dryden: »So etwas habe ich noch nie erlebt.«
    Â»Meinen Sie den Fall?«, fragte Paul Hjelm. »Oder die Nachwirkungen des Falles?«
    Â»Sowohl als auch«, gab Dryden zu, »aber vor allem die Nachwirkungen. Es wurde mir untersagt, mit meinen üblichen Mitarbeitern zusammenzuarbeiten.«
    Â»Sie haben stattdessen die Order erhalten, sich mit den merkwürdigen Bullen von Europol zu arrangieren«, mutmaßte Hjelm. »Und außerdem haben Sie ein neues Büro bekommen. Es scheint, als wolle man Sie aus Ihrer gewohnten Tätigkeit herausisolieren.«
    Dryden zuckte zusammen. »Man hat mich bereits darauf hingewiesen, dass Sie eine schnelle Auffassungsgabe besitzen, Hjelm«, sagte er abwartend.
    Â»Sie haben noch nie zuvor in diesem Teil von Scotland Yard gesessen, nicht wahr? Neues Namensschild. Der einzige Polizist in diesem Gebäudeteil, alle anderen Titel auf diesem Korridor sind administrativer Art. Man hat Sie bewusst isoliert.«
    Â»Reden Sie nur weiter«, forderte ihn Dryden mit einer Geste auf.
    Â»Sie müssen sehr spezifische Instruktionen erhalten haben«, fuhr Hjelm fort. »Das Interessante daran ist die Frage, ob die mit dem Fall oder mit den Nachwirkungen zu tun haben. Was soll hier eigentlich isoliert werden?«
    Â»Die Nachwirkungen«, antwortete Dryden. »So deute ich es zumindest. Genauer gesagt die Formulierung ›An die operative Einheit, Europol‹. Und dann kommen

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