Gier
Endymion die Ãkomafia beauftragt hat, Umweltgifte in Lettland zu verklappen.«
»Und die Vernehmung hat unseren Direktor derart in Panik versetzt, dass er sie erneut kontaktiert hat?«
»Er fühlt sich anscheinend etwas verfolgt. Sie konnten ihn in einer Institution in Stockholm lokalisieren, die Kulturhuset heiÃt, wo er sich offenbar sicher fühlte. Dort erscheint er auf den Bildern von mindestens zwei Ãberwachungskameras. Da die neue Mail ebenfalls stark verschlüsselt verschickt wurde, kamen sie zu dem Schluss, dass er ein Entschlüsselungsgerät bei sich haben musste. Tebaldi wollte zugreifen, aber Sifakis hat ihn zurückgehalten.«
Hjelm rümpfte die Nase und fragte: »Und Tebaldi wurde wütend?«
»Nach dem, was ich gehört habe, ja.«
»Genau dafür haben wir ihn schlieÃlich«, sagte Hjelm und nickte. »Nicht, um kühl kalkulierte Entschlüsse zu fassen. Ausgezeichnete Reaktion von Angelos.«
»Wer weië, sagte Bouhaddi und fläzte sich noch ungenierter auf dem luxuriösen Ledersofa. »Das Gerät befand sich in seiner Tasche. Man hätte es ihm nur abzunehmen brauchen; vielleicht hat er es inzwischen längst verschwinden lassen.«
»Das sagst du nur, um zu opponieren«, meinte Hjelm.
»Dafür hast du mich doch«, entgegnete Bouhaddi und lächelte zuckersüÃ. »Aber ich halte daran fest. Wenn er es nun wirklich weggeworfen hat, dann warâs das mit der Direktverbindung zur Mafia.«
»Die Direktverbindung ist seine Sicherheitsleine«, entgegnete Hjelm. »Und so etwas wirft er nicht als Erstes weg.«
»Das Taxi ist da«, verkündete Miriam Hershey nach einem Blick zum Eingang und stand mit einer geschmeidigen Bewegung auf.
»Benötigen wir wirklich ein Taxi?«, fragte Bouhaddi. »Es sind bestimmt nicht mehr als hundert Meter dorthin.«
Genau genommen waren es gut zwei Kilometer bis zu New Scotland Yard, dem abschreckend protzigen zwanzigstöckigen Gebäude aus den Sechzigerjahren an der Kreuzung Broadway und Victoria Street im Stadtteil Westminster. Hjelm hatte einmal das alte Polizeihauptquartier am Whitehall Place besichtigt, wo die Polizeibehörde bei ihrer Gründung 1829 ihren ersten Sitz hatte. Dort ging eine Hintertür des Gebäudes auf die Great Scotland Yard hinaus, und da die Allgemeinheit überwiegend diese Hintertür benutzte, wurde die Metropolitan Police seither ganz einfach Scotland Yard genannt. Zu Beginn des neuen Millenniums bot das ursprüngliche Polizeigebäude beinahe einen traurigen Anblick. Als Hjelm aus dem Taxifenster sah, das gerade die Themse auf Höhe der ebenso tristen wie regennassen Lamberth Bridge überquerte, kam ihm beim Anblick eines vorbeireitenden Polizisten völlig unvermittelt ein Bild vor Augen: das Polizeigebäude in Stockholm in zweihundert Jahren. Dort würden kaum leise wiehernde Pferde stehen â eine berittene Polizei würde es definitiv nicht geben â, eher würde das Gebäude verlassen dastehen, und Hjelm erschien es nur logisch, dass Horden von Süchtigen das verfallene Gebäude okkupieren würden.
Er schüttelte den unangenehmen Gedanken ab und stellte fest, dass es mit groÃer Sicherheit schneller gegangen wäre, zu New Scotland Yard zu laufen. Er vermied es bewusst, Corine Bouhaddis Blick zu begegnen, und hörte sie schlieÃlich von der Rückbank aus fragen: »Hast du hier in der Stadt gearbeitet, Miriam?«
»MI5 hat sein Hauptquartier in der Nähe«, antwortete Hershey und wies nach links. »Siehst du das Gebäude dort drüben am Fluss? Thames House. Sie sind im Dezember 1994 eingezogen, und ich habe acht Jahre später dort angefangen. Danach war ich nicht mehr so oft dort. Ich hatte ... andere Arbeitsplätze.«
»Ãber die du immer noch nicht sprechen möchtest«, sagte Bouhaddi plötzlich auf Französisch, während sie einen Blick in Richtung des Taxifahrers warf, eines Sikh, der eine halb gerauchte Zigarette in seinen Turban gesteckt hatte und dem seine Fahrgäste offenbar völlig egal waren.
»Ãber die ich nicht sprechen darf «, entgegnete Hershey in derart lupenreinem Französisch, dass Hjelm nicht nur verstand, was sie sagte, sondern auch, was Bouhaddi gesagt hatte.
Dann war es eine Weile still im Wagen, bis Hjelm auf die Idee kam zu sagen: »Wenn wir zu Fuà gegangen wären,
Weitere Kostenlose Bücher