Giftiges Grün
Zunge, die schnell und sacht zu Werke ging, hinauf, hinauf, bis sie bebend wieder abwärts zu gleiten begann, ihn über und in sich spürte und ihm die Beine über den Rücken legte. An den Füßen trug sie noch immer ihre roten Espadrilles.
Danach kochte er für sie; schlug Eier auf, mischte Öl und Essig, roch an den Tomaten, zog das Messer hindurch, streute Salz, wiegte Kräuter im lockeren Stakkato eines Kochs, streifte sie mit dem Finger von der Klinge in die Salatschüssel und warf ein großes Stück Butter in die Pfanne. Um die Hüften hatte er ein Küchenhandtuch gewickelt, mit dem er auch den Pfannenstiel packte und an dem er sich die Hände abwischte.
Lina trug einen rosa Bademantel, der ihr zwei Nummern zu groß war. Ein Cremetiegel auf der Glasplatte über dem Waschbecken hatte sie darüber belehrt, dass sie nicht die Einzige in Johann Gerswillers Bett war. Die Entdeckung hatte sie nicht überrascht, aber ein wenig einsilbig gemacht. Sie sah ihm bei seinen schwungvollen Verrichtungen zu und merkte sich alles, fragte nach den Kräutern, erfuhr, dass es sich um Borretsch, Kapuzinerkresse und Kerbel handelte, was man eben so vor der Tür stehen hatte, und erzählte ihm, dass ihre Mutter seinen Garten eine einzige Apotheke genannt hatte. Das überraschte ihn wiederum nicht; von einer Gärtnerin habe er nichts anderes erwartet.
Während er die Eier in die Pfanne kippte und Lina Brot von einem alten Kanten säbelte, dozierte er über Heil- und Giftpflanzen, die Paracelsus zum Beispiel nicht streng unterschieden habe; schließlich mache nur die Dosis das Gift, und er fragte, ob sie wisse, dass aus der Osterluzei früher ein Tonikum hergestellt worden sei, das Frauengold hieß, ein Mittelchen zur Aufhellung des weiblichen Gemüts, völlig legal und in jeder Drogerie erhältlich, in Wirklichkeit aber richtiges Dope auf der Basis von Aristolochiasäure, dazu fünfzehn Prozent Alkohol. Ein Schlückchen am Vormittag und die genervte Sekretärin hob als Rauschgoldengel ab. Ob sie sich ebenfalls mit Pflanzen auskenne, fragte er, und Lina sagte, sie könne notfalls einen Kaktus von einer Kastanie unterscheiden; nein, eigentlich wisse sie mit Bäumen gut Bescheid, aber in den kleineren und schneller vergänglichen Formaten kenne sie sich nicht aus. Doch musste sie ihn nun ihrerseits fragen, warum er so viele von diesen Heil- oder Giftpflanzen kultiviere; es gäbe doch sicher auch hübsche und harmlose Blumen, die das Auge und die Sinne erfreuten.
»Hübsch und harmlos!«, schnaubte er und mit dem verzeihenden Lächeln über so viel Einfalt erschien das Grübchen in seiner linken Wange. »Aber die Schönen sind nun einmal die Gefährlichen und die Gefährlichen die Schönen.« Er fühle sich in ihrer Gesellschaft am wohlsten, denn ohne ein kleines Risiko, fehle es dem Leben entschieden an Würze. Krachend drehte er die Pfeffermühle über der Pfanne und deutete dann mit ihr aus dem Fenster.
»Siehst du diese abgefahrene Pflanze da rechts vor der Hecke, die mit den dunklen Blättern und roten Pomponblüten? Schön, nicht wahr? Eine Königin der Nacht. Ricinus communis; der Wunderbaum; damit kannst du eine Kleinstadt ausrotten. In London wurde einmal ein bulgarischer Diplomat, vermutlich ein Spion, auf offener Straße mit ihrem Gift ermordet; an der Bushaltestelle mit einem Regenschirm in die Wade gestochen, dessen Spitze mit dem Saft von Rizinussamen präpariert war. Eine minimale Dosis reicht. Nach drei Tagen war er tot.«
Er faltete die gestockten Eier zusammen, warf sie geschickt in der Pfanne herum und verteilte sie auf zwei Tellern. Dann holte er eine Flasche Buttermilch aus dem Kühlschrank. Als sie am Tisch saßen, konnte sie ihre Hand nicht von dem langen Bein lassen, das aus dem Küchentuch-Lendenschurz ragte. Er war sofort einverstanden, nahm sich nur die Zeit, sein Brot hinunterzuschlucken und mit dem rechten Handrücken Salatsoße aus den Mundwinkeln zu wischen, während die Linke schon den Gürtel ihres Bademantels aufnestelte und ihre Brüste zu streicheln begann. Sie liebten sich noch einmal und es war so einfach und befriedigend wie Omelette und Tomaten und kalte Buttermilch an einem warmen Sommervormittag.
In seinem winzigen Badezimmer hängte Lina das Kleid mit den Klatschmohnblüten an den Haken hinter der Tür. Würde er es behalten? Wegwerfen? Der Rosa-Bademantel-Cremetopf-Frau schenken? Der es sowieso zu klein war. Sie nahm es wieder herunter, faltete es zusammen und packte es in ihre Tasche.
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