Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Giftiges Grün

Giftiges Grün

Titel: Giftiges Grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsemarie Maletzke
Vom Netzwerk:
übrigens, Johann, da wir gerade von der guten alten Rose sprechen. Ich habe dir noch etwas auszurichten. Du wirst derjenige sein, der sich hier verpisst. Madame verkauft Buchfinkenschlag. Deine Dienste werden künftig nicht mehr benötigt. Ich darf dir verraten, dass ich schon einige solvente Interessenten an der Hand habe.« Er gönnte sich einen scherzhaften Seitenblick auf Eilemann. »Aber bis es so weit ist, werde ich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, dein Mietverhältnis aus Renditeaspekten positiv zu gestalten. A bientôt, mon vieux«, und er winkte spöttisch, während er sich umwandte und ohne Hast hinausging, gefolgt von dem Glatzkopf mit dem Pflaster auf dem Kopf und den Kupferstichen unter dem Arm. Der Otzenhausen Breakdown Blues stellte sich wortlos in den Rahmen und sicherte den Rückzug. Als Letzter ging Eilemann und machte die Tür zu. Er lachte nicht mehr. Gerswiller war mit zwei Schritten hinter ihm her und riss sie auf. Er sah die Männer einsteigen; der schwarze Geländewagen wendete, aber statt auf den Schotterweg zur Straße einzubiegen, steuerte er auf das Haus zu und verschwand um die Ecke.
    Er war einer dieser Panzer, mit denen in der Stadt beschäftigungslose Frauen zum Friseur fuhren, aber hier auf dem Land war er richtig. Über der Stoßstange trug er eine Vorrichtung, mit der man andernorts Kängurus aus dem Weg schaufelte oder Büffel vor sich hertrieb. Damit brach das furchtbare Auto durch die Ligusterhecke und fiel über den Garten her. Es pflügte einmal längs darüber, kam aufheulend im Rückwärtsgang zurückgeschossen, malmte wieder nach vorn, knickte in zwei Anläufen das Goldregenspalier zusammen, krachte der Eibe ins Lebendige und karriolte dann wie ein Jahrmarktscooter kreuz und quer über die Beete. Die Büsche verschwanden rauschend und splitternd unter ihm wie in einem schwarzen Maul, die Blumen starben überrascht und lautlos.
    Gerswiller stand in der Haustür. Er presste den Unterarm auf den Mund und schluchzte. Der Wagen raste ein letztes Mal an ihm vorbei, nahm den Kübel mit den Engelstrompeten aufs Korn, schleuderte ihn gegen die Hauswand, setzte zurück und walzte noch einmal darüber. Dann hatte er genug, machte einen Satz nach vorn und preschte um die Ecke davon. Von der Stoßstange flatterte eine Ranke der himmelblauen Trichterwinde. Lina kniete sich neben Gerswiller, der am Türrahmen zusammengesunken war.
    »Nicht weinen, Johann, bitte nicht weinen. Ich kann weinende Männer nicht ertragen«, aber er schien sie gar nicht wahrzunehmen. Statt sich umarmen zu lassen, sprang er auf, rannte durch seinen geschändeten Garten, trat nach den Überresten des Gemetzels, warf den Kopf in den Nacken und heulte. Lina wäre vor so viel Wut am liebsten davongelaufen, aber sie wusste nicht, wohin. Deshalb blieb sie sitzen, sah den Tobenden an und ließ sich von seinem Schmerz überwältigen, bis sie selbst in Tränen ausbrach – für Johann, seinen Garten, sein Haus und für Buchfinkenschlag.

    Danach hockten sie lange wortlos nebeneinander auf der Schwelle. Er hatte die Arme um die Beine geschlungen und die Stirn auf die Knie sinken lassen. Lina legte ihm die Hand in den Nacken und ließ sie dort ruhen. Sie streichelte ihn nicht, da sie annahm, dass er, genau wie sie solche Gesten nicht ertrug. Bereits der Anblick sich kraulender Paare berührte sie peinlich. Einer hatte immer einen glasigen Blick und dem anderen schien ein Fell zu wachsen.
    Plötzlich stand Gerswiller auf, nahm ihre Hand und führte sie weg vom Haus, tiefer in den Park hinein und auf einen Pfad, der sich durch ein Wäldchen zog. Dort, wo es sich lichtete, lagen in einer Senke ein kleines Gewächshaus, hinter dessen blanken Scheiben Lina Tomatenpflanzen an Stöcken festgebunden sah und ein Kiesplatz mit einem Wasserbecken. Zwei graue Gießkannen standen auf dem Rand. Hinter dem Becken stemmte sich eine Mauer gegen den Hang und in ihrem Schutz wuchs der größte Rosenstrauch, den sie je gesehen hatte, ein grünes Dickicht, das mit weit geöffneten goldgelben Blüten besteckt war. Lina trat in seinen Duftkreis wie in eine durchsichtige Wolke, blieb stehen und wandte den Kopf schnuppernd hin und her.
    »Oh, Mann riecht das gut«, sagte sie. Aber da sie von ihrer Mutter gelernt hatte, dass es sich nicht gehörte, anderer Leute Blumen anzufassen, so wie man auch anderer Leute Kind nicht einfach die Hand auf den Scheitel legt, wartete sie, bis Johann eine Blüte umfasst und ihr dargeboten

Weitere Kostenlose Bücher