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Giftpilz

Giftpilz

Titel: Giftpilz
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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Übelkeit ein. Kam das von der Fressattacke,
oder war es die Psyche, die ihm einen Streich spielte? Dann war da dieser kalte
Schweiß auf seiner Haut. Hubertus legte den Erpresserbrief beiseite, versuchte
sich zu entspannen und trotzdem einen klaren Gedanken zu fassen. Vermutlich war
es die Kombination aus zu viel Süßem, Salzigem und natürlich den zahllosen
Karotten. Andererseits brachte die Erpressung wohl eine gewisse psychische
Belastung mit sich.
    Hubertus winkelte die Beine an und hoffte, damit seinem Bauch
Erleichterung zu verschaffen. Nachdem er sich hingelegt hatte, ging es ihm
jedoch noch schlechter, und er bekam das Gefühl, als fahre er auf seinem Bett
Karussell. Seine Gedanken bewegten sich ebenfalls im Kreis.
    Aus dem Bauchgrimmen wurde rasch ein Stechen. Hubertus schaffte es
gerade noch rechtzeitig ins Bad, wo auch er sich übergeben musste. Er verspürte
einen heftigen Schmerz im Oberbauch. Mittlerweile wusste er, dass dies ein
Alarmzeichen sein konnte.
    Herzinfarkt … Herzinfarkt …, pochte es in seinem Kopf.
    Der Ärger über die Rehamaßnahmen, das große Fressen im Park und nun
der Erpresserbrief – vielleicht war das schon zu viel für sein lädiertes Herz
gewesen. Hubertus wurde schwarz vor Augen.
    In verschiedenen Zimmern der Tannenklinik suchten Patienten
in der folgenden Nacht vermehrt die Toilette auf, kämpften mit Magen und Darm.
Am schlimmsten hatte es Narben-Dietrich erwischt. Er lag völlig wehrlos in
seinem Zimmer, von Krämpfen geschüttelt und unfähig, Hilfe zu holen. Seine
Kurzatmigkeit war noch schlimmer geworden, der Magen rebellierte erst kurz und
ging dann in einen kompletten Streik über. Auch wenn er sich in den letzten
Monaten schon mit seinem Schicksal abgefunden hatte, überkam ihn nun Todesangst.
»Ich darf noch nicht sterben«, stöhnte er und versuchte, irgendwie zum Alarmknopf
zu gelangen. Es blieb ihm kaum mehr Zeit.

8. DER NEUE MIETER
    Hauptkommissar Claas Thomsen nahm erleichtert den Lampenschirm
in die Hand und rieb ihn sorgfältig mit Sagrotan ab. Der Schmutz, der sich auf
den drei Kilometern Umzugsstrecke angesammelt hatte, sollte keinesfalls in die
neue Wohnung gelangen. Deshalb war er auch kategorisch dagegen gewesen, eine
Transportfirma mit seinem Umzug zu beauftragen. Thomsen hätte es nicht ausgehalten,
wenn Möbelpacker mit ihren verdreckten Fingern und schwarzem Schmutz unter den
Nägeln seine persönlichen Sachen berührt hätten. Womöglich wären sie mit ihren
ungeputzten Schuhen in seiner neuen Wohnung herumgelaufen.
    Stattdessen führte er den Umzug ganz alleine durch. Auch wenn das
sehr mühselig war. Freunde hatte er keine, und auch seine Kollegen hatte er
nicht um Mithilfe gebeten. Schon gar nicht Winterhalter, seinen nach Stall
riechenden Kollegen und Nebenerwerbslandwirt. Der hätte wahrscheinlich noch Kuhmist
in seinem neuen Domizil verteilt.
    Der Umzug war generalstabsmäßig durchgeplant. Den geliehenen
Möbeltransporter hatte Thomsen vor dem Einsatz einer ausgiebigen Desinfektion
unterzogen. Die bisherigen Nachbarn hatten ihn dabei argwöhnisch beäugt. Auch
als er in den weißen Overall mit Kapuze geschlupft war – eigens für den Umzug
hatte er sich ein ganzes Sortiment davon in der Kriminaltechnik besorgt. Ein
ausgiebiges, stundenlanges Duschritual würde ihm dann am Abend letzte
Gewissheit bringen, dass er frei von Keimen war.
    Thomsen war es schon lange egal, was andere Leute über ihn dachten.
Die alte Nachbarschaft hatte ihn auf dem Kieker gehabt. Spätestens, seit er
jegliche Teilnahme an gemeinschaftlichen Unternehmungen abgelehnt hatte.
Grillen im Hof! Auf einem Holzkohlegrill, der wahrscheinlich schon Jahre nicht
mehr geschrubbt worden war! Und womöglich hätten noch Kinder dabei johlend
herumgetobt. Die waren ohnehin Keimüberträger Nummer eins. Sie wuschen sich nie
die Hände und wollten immer alles und jeden anfassen.
    Die neue Hausmeisterin war ihm da auf Anhieb sympathisch gewesen.
Partys und Grillen seien streng untersagt. Kinder gehörten auf die
ausgewiesenen Spielplätze. Mittags- und Nachtruhe seien strikt einzuhalten. Sie
machte einen guten Eindruck auf ihn, hatte trockene und – wie es schien –
gewaschene Hände. Und sie hatte bereits vor der Unterzeichnung des Mietvertrags
auf die »Kehrwoch’« verwiesen.
    »Kehrwoche?«, hatte Thomsen verdutzt gefragt.
    »Sie sin wohl nit vu do? Des isch bei uns so üblich. Jede Woch muss
einer vu de Mieter de Hausgang kehre und sauber mache. Aber nit mit so em
bissle
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