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Giftpilz

Giftpilz

Titel: Giftpilz
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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Diese zersprang,
und der Wein ergoss sich zu einem guten Teil auf den Teppichboden in Thomsens
Flur.
    Sämtliche jemals von ihm verhafteten Mörder und dazu noch seine
Exfrau hätte Thomsen eher ertragen als seinen neuen Wohnungsnachbarn, der
gekommen war, um ihn nach einem Korkenzieher zu fragen, den er in seinem
Wohnungschaos nicht mehr fand: sein Intimfeind, der Journalist Klaus Riesle.

9. UNTER DEM LEINTUCH
    Drei Uhr zweiundvierzig war es – das erkannte Hummel auf
den dritten Blick in Richtung Wecker. Noch immer war ihm übel. Angesichts des
nunmehr vierten Toilettengangs der Nacht hielt Hubertus es für durchaus angemessen,
wirklich einmal den Alarmknopf zu drücken.
    Zurück aus dem Bad, musterte er den Erpresserbrief, der für
zusätzliche Flauheit im Magen sorgte. Er ließ sich zurück ins Kissen fallen.
    Das Personal hatte es nicht eilig. Ungeduldig klingelte er nochmals.
Vielleicht waren diese roten Knöpfe nur Attrappen? Gaukelten eine Sicherheit
vor, die es nicht gab?
    Nach dem dritten Klingeln erhob sich Hubertus schnaufend aus seinem
Bett. Skandal! Er würde sich allein auf den Weg zum medizinischen Personal
machen. Zumindest die Pforte würde ja wohl besetzt sein.
    Er zog sich den Bademantel über und trat auf den Flur. Der rote
Teppich dämpfte die Schritte seines Körpers. Als Hummel die Treppe erreichte,
sah er auf der anderen Seite des Flurs im gedämpften Licht des Ganges eine
Trage, auf der irgendetwas lag, das mit einem Tuch zugedeckt war.
    Hubertus schnaufte schwer.
    Die Tür des Zimmers, vor dem die Trage stand, war halb offen, von
drinnen hörte er gedämpfte Stimmen. Hielt sich das Personal hier zu einem
Schwatz auf, statt sich um ihn zu kümmern?
    Plötzlich wurde Hummel von einer rätselhaften Unruhe ergriffen.
Immer noch sein Magen? Nein, wusste er, als er direkt vor der Trage stand. Und
er wusste noch etwas – die Konturen verrieten es ganz deutlich: Auf dieser
Trage, nur notdürftig bedeckt mit einem weißen Leintuch, lag ein Mensch. Ein dünner
Mensch, so weit er den sich unter dem Stoff abzeichnenden Körper zu erahnen
glaubte.
    Immer noch wurde im Zimmer geflüstert.
    Tu es nicht, sagte eine innere Stimme zu Hummel. Doch die innere
Stimme war zu langsam. Er hob das Tuch an, obwohl er wusste, in welchem Zustand
diese Person sein musste: In einem verdammt toten …
    Unter dem Leintuch lag Narben-Dietrich! Sein Gesichtsausdruck
deutete auf einen qualvollen Tod hin. Die Züge waren verzerrt, beinahe
entstellt. Hummel brauchte einige Sekunden, um Herr seiner Sinne zu werden.
Sekunden, in denen die Unterhaltung im Zimmer verstummte und Svetlana sowie Dr.
Hilbert, der Privatassistent des Chefarztes, aus der Tür traten. Sie starrten
ihn an.
    »Nix supärr«, murmelte Hummel matt, blickte Svetlana an und senkte
das Tuch.
    »Cherr Chummel!«, sagte Svetlana.
    Dr. Hilbert, ein schmächtiger Mittdreißiger mit schwarzer
Designerbrille, schaute ihn aufmerksam an. »Was machen Sie denn hier?« Er
sprach in einem leisen, fast singenden Tonfall.
    Hummel zuckte hilflos mit den Schultern, blickte auf den nunmehr
wieder zugedeckten Toten und stellte die unsinnigste Frage seit Jahren: »Was
hat er?«
    »Er ist tott«, erläuterte Svetlana.
    »Die Lunge?«, flüsterte Hubertus. So schnell war das also gegangen?
    Hilbert schüttelte langsam den Kopf. »Das ist nach dem jetzigen
Kenntnisstand nicht zu beantworten – abgesehen davon, dass ich
selbstverständlich der ärztlichen Schweigepflicht unterliege. Nur so viel: Ich
habe eben die Leichenschau durchgeführt und den Totenschein ausgefüllt. Er
kommt in die Gerichtsmedizin.«
    »Ist viel los – heute Nacht sind viele Leite krank geworden«, meinte
Svetlana. »Sind wir zu allen Patienten gegangen, um zu gucken. Wärren wir auch
bald zu Ihnen gekommen.«
    »Vielleicht zu spät!« Es kam wieder Leben in Hummel. »Ich habe ein
halbes Dutzend Mal geklingelt, ohne dass jemand kam.«
    Plötzlich sackten ihm die Beine weg, und er fand sich sitzend auf
dem Teppich vor der Trage wieder, ehe sich Arzt und Krankenschwester um ihn
kümmerten.
    Wumm. Wumm.
    »Alles gutt?«
    Wumm. Wumm.
    Ein Stein. Nein – ein Felsblock musste es sein, den man ihm
unablässig gegen den Kopf schlug.
    »Alles supärr?«
    Hummel schielte nach der schlimmsten Nacht seit Langem wieder nach
dem Wecker. Fünf nach sieben.
    Wumm.
    »Nix supärr!«, rief er dann.
    Immerhin unterblieb nun das Hämmern gegen die Tür. »Sie wach?«
    Hummel nickte. Das half nur wenig.
    Wumm.
    »Ja«,
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