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Giftpilz

Giftpilz

Titel: Giftpilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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geblieben. Es roch unangenehm nach Katze, und das
Ganze machte einen eher unordentlichen Eindruck. Eine Frau im Haus hätte
bestimmt aufgeräumt – oder wäre gleich wieder ausgezogen … Hubertus konnte
nicht umhin, gewisse Parallelen zum Zustand von Riesles Apartment zu ziehen.
Sich selbst hielt Hummel zugute, dass der Auszug von Elke nichts an der
Reinlichkeit und Ordnung in seinem Haus geändert hatte. Allerdings hatte er vor
ein paar Wochen die Klassenarbeiten der 7b irgendwo verbummelt. Insofern war
sein Kuraufenthalt eine willkommene Ausrede, diese bis auf Weiteres nicht mehr
zurückgeben zu müssen. Er würde noch früh genug in Erklärungsnöte geraten.
    Im Flur der Wohnung waren Schuhe und Kleider verteilt, ein Staubfilm
lag auf den Schränken. Im Wohnzimmer bestimmte ein großer, etwas schäbiger
Kratzbaum älteren Datums das Bild.
    »Sie haben Katzen?«, fragte Hubertus.
    »Fünf Stück«, erwiderte Reinstetter wortkarg.
    Hummel atmete möglichst flach. Zu viele. Viel zu viele. Klaus schien
das alles nichts auszumachen. Gleich und gleich gesellt sich gern …
    »Erst noch unser Beileid zum Ableben Ihres Bruders. Wirklich
tragisch«, kondolierte Riesle. Hummel schloss sich an.
    Der Mann nickte und schaute noch betretener als bei der Begrüßung.
    »Sie wollten mir etwas mitteilen?«, sagte er ungeduldig und rieb
sich das unrasierte Kinn.
    »Ganz recht. Deshalb sind wir hier«, ergriff Riesle wieder die
Initiative und setzte sich auf das mit Katzenhaaren übersäte Sofa. Hubertus
nahm ganz am Rand Platz, ohne sich anzulehnen. Er fühlte erstmals, wie es
Thomsen tagein, tagaus gehen musste.
    Zur Ablenkung musterte er das karge Bücherregal mit einer
überschaubaren Mischung aus Konsalik-Wälzern, medizinischen Fachbüchern und
Kriminalliteratur. Ansonsten gab es primär Zeitschriften zum Thema Unterhaltungselektronik.
    »Wir haben im Fall Ihres Bruders recherchiert und herausgefunden,
dass er am Pilzgift Amanitin gestorben ist«, sagte Riesle.
    »Das weiß ich schon. Hat mir die Polizei mitgeteilt. Die war gestern
hier«, antwortete der Bruder. Eine schwarze Katze huschte ins Wohnzimmer und
auf Reinstetter zu. Der begann sie mit seinen trockenen Händen zu kraulen.
    »Dann wissen Sie aber noch nicht, dass Ihr Bruder wahrscheinlich
Opfer eines Anschlags war?«, fragte Riesle und senkte dabei die Stimme.
    »Ein Anschlag gegen die Klinik, ja. Oder ein Unfall, haben die
Beamten gesagt. Auf jeden Fall war wohl die Suppe vergiftet.«
    Riesle beugte sich nach vorne, so als wolle er Reinstetter etwas
zuflüstern. Er senkte seine Stimme noch etwas. So klang sie verschwörerischer.
    »Herr Reinstetter: Wir sind ziemlich sicher, dass es wohl jemand gezielt auf Ihren Bruder abgesehen hatte. Er hatte im
Vergleich zu den anderen Patienten die sechsfache Dosis Amanitin im Körper.«
    Riesle begann nun, das Gespräch fast zu genießen. Hummel kannte
diesen Tonfall. Er mochte ihn nicht.
    Hubertus ließ seinen Blick weiter über die Wohnzimmereinrichtung
wandern. Schweres Eichenmobiliar mit klobigen Verzierungen. Achtzigerjahre. Der
braune Teppich musste dem Geruch und der aschfahlen Patina nach schon eher aus
den Sechzigern stammen. Von den zahlreichen Flecken ganz zu schweigen. Einen
eigenartigen Kontrast dazu bildete ein überdimensionaler Flachbildschirm
inklusive Stereoturm. Beide schienen neueren Datums zu sein. Hubertus griff gedanklich
in die Vorurteilskiste. Kein Geld für eine vernünftige Einrichtung, aber bei
der Unterhaltungselektronik wurde geklotzt. Ein Hartz-IV-Phänomen, das aber
zunehmend auch die Mittelschicht ergriff. Inklusive seiner Schüler. Das
Schlimme war, dass auch die Lehrerschaft von diesen Oberflächlichkeiten nicht
verschont geblieben war. Was die Kollegen teilweise für iPhones und sonstigen
Schnickschnack ausgaben … Da konnte er als wertkonservativer Bildungsbürger nur
beunruhigt den Kopf schütteln.
    Andererseits: Hermann Reinstetter war ja ganz offenbar alleinstehend.
Da hatte er etwas Zerstreuung sicher nötig. Nach dem Ableben Dietrichs hatte er
wohl niemanden mehr außer seinen Katzen. Den Zustand der Wohnung konnte man
somit durchaus entschuldigen.
    Der Bruder, der zunächst wie erstarrt dasaß, sah Riesle zum ersten
Mal direkt in die Augen.
    »Sie wollen mir sagen, dass mein Bruder gezielt ermordet wurde?«,
fragte er. Sein Gesicht nahm einen noch gelberen Teint an.
    »Ich fürchte, so sollte man es wohl ausdrücken«, sagte der
Journalist.
    Reinstetter kniff die Lippen zusammen.

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