Giftpilz
mit
Ihnen in Ruhe unterhalten, weil ich ein Angebot für Sie habe. Außerdem möchte
ich Ihnen ein Glas Wein spendieren und mich für neulich entschuldigen, als ich
die Flasche bei Ihnen fallengelassen habe.«
Thomsen starrte ihn an.
»Wir können auch gerne zu mir gehen«, beeilte sich der Journalist zu
sagen.
»Zu Ihnen? « Thomsen schluckte. Dieser
Riesle war irgendwie unberechenbar. Vielleicht sogar gefährlich.
»Na gut«, sagte Riesle. »Dann eben bei trockener Kehle. Also: Sie
sollten nach Möglichkeit die Anzeige wegen dieser Einbruchsgeschichte
zurückziehen.«
»Das liegt jetzt nicht mehr in meinem Ermessen«, sagte Thomsen.
»Wie meinen Sie das?«
»Die Kollegen von der Kriminalinspektion 2 fahren jetzt das große
Programm. Es ist geplant, Ihre Fingerabdrücke mit denen in meiner Wohnung zu
vergleichen. Ich rate Ihnen gut, sie freiwillig abzugeben. Falls nicht: Ich
habe die Scherben der von Ihnen zerbrochenen Rotweinflasche aufbewahrt. Darauf
dürfte sich zur Not auch noch ein Fingerabdruck für den Dakty-Abgleich finden.«
Thomsen kam langsam in Fahrt.
Riesle rief sich die »Recherche«, wie er sie nannte, in Thomsens
Wohnung noch mal in Erinnerung. Er war eigentlich sehr sorgfältig vorgegangen.
Nein, keine Fingerabdrücke! Eigentlich konnte er guten Gewissens diese
erkennungsdienstliche Behandlung machen. Dann war vielleicht endlich mal Ruhe.
Und genau das sagte er auch dem Kommissar.
»Gut«, meinte Thomsen. »War’s das dann?«
»Nein. Ich hätte da noch etwas, das Sie interessieren könnte.«
»Habe ich richtig gehört: Sie haben etwas,
das mich interessieren könnte?« Jetzt klang Thomsen
fast schon hämisch.
»Ja. Mein Freund Hummel ist in Besitz eines Dokuments gekommen, das
ein völlig neues Licht auf den Fall Dietrich Reinstetter wirft.«
Jetzt begann Thomsen, sich zu amüsieren. Zumindest ein bisschen,
denn zu echtem Humor war er gar nicht in der Lage.
»Sie halten die Kripo wohl für dumm! Wir wissen, dass Reinstetter
die sechsfache Dosis Pilzgift im Körper hatte. Nur weil Sie wieder irgendwelche
Mitarbeiter geschmiert und diese Informationen bekommen haben, wollen Sie mir
die jetzt verkaufen, um sich in dieser Einbruchsgeschichte reinzuwaschen. Ich
habe Sie durchschaut.«
Riesle hätte nun fast wirklich zum zweiten Mal eine Flasche Rotwein
fallen lassen. »Die sechsfache Dosis?«, rief er begeistert.
Thomsen schwieg zunächst betreten. Dieser Einbruch machte ihn noch
zum psychischen Wrack, benebelte seinen doch eigentlich so klaren Verstand.
Dann sagte er: »Was wollten Sie mir denn nun mitteilen? Was ist mit diesem Dokument,
von dem Sie sprachen?«
»Ach … nichts von Bedeutung.« Riesle grinste. Sensationell! Thomsen
würde sich entleiben, wenn ihm endgültig klar geworden war, was er
ausgeplaudert hatte. »Ich gehe jetzt einen trinken. Und zwar allein. Und danach
schmeiße ich diese Flasche in den Restmüll. Sie können mich dann ja bei der
Gartmann anzeigen. Schönen Dank noch mal für Ihre Information.«
Das hatte gesessen.
»Moment, Herr Riesle … Sie hatten mir gerade mitgeteilt, dass Ihr
Kompagnon in Besitz eines brisanten Dokuments sei, das für den Fall Dietrich
Reinstetter interessant sein könnte. Also raus mit der Sprache.«
»Schönen Abend noch, Herr Kriminalhauptkommissar«, verabschiedete
sich Riesle in einem Singsang. »Und was Ihre Anzeige anbelangt: Da bin ich ganz
gelassen. Mein Gewissen ist so rein wie die Donauquelle. Die Kollegen werden
nichts finden.«
»Herr Riesle! Sie dürfen uns keine Beweismittel vorenthalten. Damit
machen Sie sich schon wieder strafbar!«
Riesle hatte jedoch die Wohnungstür schon hinter sich zugeknallt, um
gleich darauf genussvoll den Rotwein zu öffnen. Mittlerweile war nämlich auch
der Korkenzieher aus seinem Chaos wieder aufgetaucht.
Thomsen überlegte: Wahrscheinlich hatte es der Journalist einzig und
allein auf seine Dienstgeheimnisse abgesehen. Wenn er ihn drankriegen würde,
dann doch mindestens wegen Hausfriedensbruchs sowie Ausspähung von Daten. Laut
Strafgesetzbuch stand darauf immerhin noch bis zu drei Jahre Gefängnis.
33. DER BRUDER
»Die sechsfache Dosis Gift! Hubertus, stell dir das mal
vor!«, redete Riesle auf seinen Freund ein, während sie am Ortseingang von
Schwenningen im Stau standen. Vermutlich wieder mal eine Großveranstaltung auf
der Landesgartenschau.
»Die hätten die Ortseinfahrt dafür vierspurig machen sollen. Am
besten gleich sechsspurig. So ist das wirklich eine Zumutung.« Klaus
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